Mozart - Sein Leben und Schaffen
Künstlernatur, daß er vom Leben allzu großzügig dachte. Schließlich aber waren es doch nur die widrigen Verhältnisse, daß die Reise in praktischer Hinsicht so gänzlich erfolglos blieb. Doch wir wollen nicht vorgreifen.
[1] Ich kann jedem Leser nur dringend raten, Mozarts Briefe neben jeder Lebensbeschreibung, die sich ja immer in ausgiebigem Maße auf diese Dokumente stützen muß, als geschlossene Lektüre sich zu gönnen. Diese Briefe bereiten in ihrer Frische und Lebendigkeit einen ungetrübten Genuß. Neben der von Ludwig Rohl besorgten Gesamtausgabe der Briefe (2. Aufl., Leipzig 1877) kommt vor allem für die Musikliebhaber die Auswahl in Betracht, die ich für die »Bücher der Weisheit und Schönheit« (Stuttgart, Greiner & Pfeiffer) bearbeitet habe.
Als Wolfgang am 2. September 1777 in der Frühe mit seiner Mutter in der eigenen Chaise – hinten in Koffern wohl verpackt das sauber abgeschriebene Notenmaterial und alles, was zum würdigen Auftreten vor der Welt nötig war – aus dem Salzburger Tor hinausfuhr, war er voll fröhlicher Zuversicht. Er hat sicher nicht geahnt, daß der Vater daheim nach dem Abschied matt über die Stiege hinaufging und, vom Trennungsschmerz überwältigt, sich auf den Sessel niederwarf. » Viviamo come i principi, uns geht nichts ab als der Papa; je nun, Gott will es so haben, es wird noch alles gut gehen. Ich hoffe, der Papa wird wohl auf sein und so vergnügt wie ich; ich gebe mich ganz gut drein. Ich bin der andere Papa; ich gib auf alles acht. Ich habe mir auch gleich ausgebeten, die Postillione auszuzahlen, denn ich kann doch mit die Kerls besser sprechen als die Mama. – Der Papa soll Achtung geben auf seine Gesundheit – und gedenken, daß der Mufti H(ieronymus) C(olloredo) ein Schwanz, Gott aber mitleidig, barmherzig und liebreich seie.«
Nun war man in München. Der Vater hegte wenig Erwartungen vom bayerischen Hofe; immerhin mußte man es erst in der Nähe versuchen, bevor man in die Ferne ging. Wolfgang sah alles im rosigsten Lichte. Aber der Vater behielt natürlich recht. Trotz aller Fürsprache blieb der Kurfürst dabei, daß Mozart zu jung sei. Auch sei »keine Vakatur« da. Gewiß hegten manche Kunstfreunde den Wunsch, den jungen Komponisten in München festzuhalten; aber der Theaterintendant Graf Seeau kam auch über die platonische Bewunderung nicht hinaus, und was andere versuchten, blieb beim guten Willen. Wolfgang sehnte sich nur nach Betätigung. »Daß doch die Herren einem jeden glauben und nichts untersuchen wollen! Ja, das ist allzeit so ! – Ich lasse es auf eine Probe ankommen; er soll alle Komponisten von München herkommen lassen, er kann auch einige von Italien und Frankreich, Deutschland, England und Spanien verschreiben, ich traue mir mit einem jeden zu schreiben.« –
Auch in München regte sich der nationale Geist. Man suchte sich von der Alleinherrschaft der italienischen Oper freizumachen. Schon gab man deutsche Singspiele, wenn auch zumeist nur Übersetzungen. »Eine deutsche Opera seria möchten sie auch bald geben – – und man wünschte, daß ich sie komponierte.« Wolfgang war natürlich glücklich, wenn er nur so etwas aussprechen hörte. »Ich darf nur von einer Opera reden hören, ich darf nur im Theater sein, Stimmen hören – so bin ich schon ganz außer mir.« Er hätte sich gern dazu verstanden, ohne alle sichere Anstellung in München zu bleiben, nur um komponieren zu können. »Für mich allein wäre es nicht unmöglich, mich durchzudringen, denn von Graf Seeau wollte ich wenigstens 300 fl. bekommen. Für das Essen dürfte ich mich nicht sorgen, denn ich wäre immer eingeladen, und wäre ich nicht eingeladen, so machte sich Albert eine Freude, mich bei sich zu Tisch zu haben. Ich esse wenig, trinke Wasser, auf die Letzt zur Frucht ein Glas Wein. Ich würde den Kontrakt mit Graf Seeau (alles auf Anraten meiner guten Freunde) so machen: alle Jahre vier deutsche Opern, teils buffeund serie, zu liefern; da hätte ich von einer jeden eine Sera oder Einnahme für mich, das ist schon so der Brauch. Das würde mir allein wenigstens 500 fl. tragen, das wäre mit meinem Gehalt schon 800 fl. – aber gewiß mehr; denn der Reiner , Komödiant und Sänger, nahm in seiner Sera 200 fl. ein, und ich bin hier sehr beliebt. Und wie würde ich erst beliebt werden, wenn ich der deutschen Nationalbühne in der Musik emporhälfe! – Und das würde durch mich gewiß geschehen, denn ich war schon voll Begierde, zu schreiben, als ich
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