Mozart - Sein Leben und Schaffen
dachte der Musiker noch nicht. Leopold Mozart wußte, daß sein Sohn gelernt hatte, was zu lernen war. Als Virtuose genügt das eigentlich zu allen Zeiten. Bei einer mehr formalen Kunstauffassung mußte es auch für einen Komponisten ausreichen. So mußte ihm also sein Sohn aufs trefflichste vorbereitet erscheinen, um eine Stellung zu verdienen. Diese feste Anstellung, wenn möglich bei einem Hofe, war aber das Höchste, was der Musiker sich wünschen konnte. In der Tat bot bei den damaligen Verhältnissen diese Stellung auch die mannigfachste Gelegenheit zur künstlerischen Betätigung als Komponist. Je mehr das musikalische Schaffen als ein – gewiß nicht nur sinnreiches und technisch vollendetes, sondern auch von schöner Empfindung belebtes – Spiel mit Formen erschien, um so mehr mußte man auch die stete Schaffensbereitschaft des Künstlers annehmen. Um so höher war dann eine Stellung zu bewerten, die immer Gelegenheit zu dieser Produktion bot. Im übrigen müssen wir noch bedenken, daß es eine Virtuosenlaufbahn im heutigen Sinne des Wortes damals eigentlich nur für den Sänger gab. Instrumentalisten, auch wenn sie vom Erfolg begünstigt waren, haftete als reisenden Künstlern doch leicht etwas Abenteuerhaftes an; und es war auch des Virtuosen sehnlichster Wunsch, sich den Rückhalt der sicheren Stellung eines festen Dienstverhältnisses zu schaffen.
Nun aber war es für Vater und Sohn von jeher klar gewesen, daß Mozarts höhere Bedeutung in der Komposition lag. Diese konnte aber überhaupt nicht anders zum Lebenserwerb dienen, als wenn man zu Aufträgen gelangte. Solche aber waren wieder mit einer Stellung verbunden. Gerade für das dramatische Schaffen hat sich um jene Zeit langsam die Wandlung im Verhältnis des Komponistenzur Bühne vorbereitet. Wir haben eines der frühesten Zeugnisse dafür gerade in den Erlebnissen, die Wolfgang in den nächsten Monaten bevorstanden. Als er hoffte, an der neugegründeten Singspielbühne in Wien eine Kapellmeisterstellung oder doch wenigstens den Auftrag zu einer Oper zu erhalten, schrieb der Wiener Vertrauensmann des Vaters, Heufeld, am 23. Januar 1778, daß auf diesem Wege nichts zu machen sei: »Hiegegen bleibet guten Talenten ein anderer, rühmlicherer und sicherer Weg offen, wodurch sie ihr Glück machen können, nämlich ihre Produzierung, wozu jeder gern gelassen wird. Will der Sohn sich die Mühe nehmen, zu irgendeiner guten deutschen Oper die Musik zu setzen, solche einschicken, sein Werk dem allerhöchsten Wohlgefallen anheimstellen und dann die Entscheidung abwarten, so kann es ihm geraten, wenn das Werk Beifall findet, anzukommen.« Abgesehen davon, daß hier der Kaiser die Entscheidung fällte, ist das Verhältnis dem ähnlich, das wir heute gewohnt sind. Aber daß Wolfgang diese Zumutung, wie ein Anfänger eine komische Oper »gerad auf ungewiß, auf Glück und Dreck« zu schreiben, als schwere Kränkung empfand, ist beredt genug, daß man in den musikalischen Verhältnissen noch lange nicht so weit war wie etwa für das literarische Drama, wo diese Art des künstlerischen Angebots bereits vorherrschte.
Aber auch Wolfgangs Charakteranlage und bisheriger Entwicklungsgang mußten dem Vater das möglichst baldige Unterbringen seines Sohnes in einer festen Stellung als das Wünschenswerteste erscheinen lassen. Es ist gewiß wahr, daß nur ein sorgloses Gemüt, wie es Wolfgang beschieden war, daß nur ein Mensch, dem angesichts seiner Kunst aller irdische Vorteil völlig aus den Augen schwand, daß eben überhaupt nur ein Mensch, den alles Materielle nicht berührte, zu einer so wunderbar apollinischen Heiterkeit der Kunst gelangen konnte. Dazu muß man völlig unberührt bleiben von aller Notdurft des Lebens, die ihn doch in Wirklichkeit arg bedrängte, der aber auch der materiell Sichergestellte niemals entgehen kann, wenn sie etwa in Gestalt von Krankheit oder sonstiger Not an ihn herantritt. Aber es ist ebenso leicht verständlich, daß der fürsorglicheVater seinem Sohne ein anderes, von materiellen Sorgen möglichst freies Leben wünschte. Und da war bei der Art Wolfgangs nirgendwo anders die Rettung, als in einer festen, sicheren Stellung. Wie oft hat es ihm der Vater vorgehalten, daß er zu vertrauensselig sei, daß er jedem aufs Wort glaube und nirgendwo seinen Vorteil im Auge behalte, wenn er nur komponieren könne. Man hat darüber oft dem Vater einen Vorwurf gemacht. In der Tat ist seine Fürsorge zu einer Bevormundung des Sohnes geworden.
Weitere Kostenlose Bücher