Mozart - Sein Leben und Schaffen
gespielt; kommt sie dreimal, wieder langsamer. Der Arm muß in alle Höhe, wenn man eine Passage macht, und wie die Passage markiert wird, so muß es der Arm, nicht die Finger, und das recht mit allem Fleiß schwer und ungeschickt tun. Das Schönste aber ist das, wenn in einer Passage (die fortfließen soll wie Öl) notwendigerweise die Finger gewechselt werden müssen, so braucht's nicht viel acht zu geben, sondern wenn es Zeit ist, so läßt man aus, hebt die Hand auf und fängt ganz kommod wieder an. Durch das hat man auch eher Hoffnung, einen falschen Ton zu erwischen, und das macht oft einen kuriosen Effekt. Ich schreibe dieses nur, um dem Papa einen Begriff von Klavierspielen und Instruieren zu geben, damit der Papa seinerzeit einen Nutzen daraus ziehen kann. Herr Stein ist völlig in seine Tochter vernarrt. Sie ist 8 Jahr alt, sie lernt nur alles auswendig. Sie kann was werden, sie hat Genie! aber auf diese Art wird sie nichts, sie wird niemals viel Geschwindigkeit bekommen, weil sie sich völlig befleißt, die Hand schwer zu machen. Sie wird das Notwendigste und Härteste und die Hauptsache in der Musik niemals bekommen, nämlich das Tempo, weil sie sich von Jugend auf völlig beflissen hat, nicht auf den Takt zu spielen. Herr Stein und ich haben gewiß zwei Stunden miteinander über diesen Punkt gesprochen. Ich habe ihn aber schon ziemlich bekehrt, er fragt mich jetzt in allem um Rat. Er war in den Beecké (1730–1803, berühmter Klavierspieler. D. V.) völlig vernarrt; nun sieht und hört er, daß ich mehr spiele als Beecké, daß ich keine Grimassen mache und doch so expressiv spiele, daß noch keiner,nach seinem Bekenntnis, seine Pianofortes so gut zu traktieren gewußt hat. Daß ich immer akkurat im Takt bleibe, über das verwundern sie sich alle. Das tempo rubato in einem Adagio, daß die linke Hand nichts darum weiß, können sie gar nicht begreifen. Bei ihnen gibt die linke Hand nach.« (23. Okt.)
Am 26. Oktober verließen sie Augsburg und trafen am 30. in
Mannheim
ein. Der Aufenthalt in der kurpfälzischen Residenzstadt sollte über jede Erwartung lange dauern und wurde für Mozart als Künstler und Mensch von größter Bedeutung.
»Nach Mannheim muß ich, denn ich will und muß einmal in meinem Leben mich recht an Musik ersättigen, und wann oder wo werde ich jemals dazu bessere Gelegenheit finden.« Also Wieland in einem Briefe an Merck. Mannheim war damals zweifellos der beste Platz für einen jungen Musiker in Deutschland. Es hatte überhaupt die Bedeutung eines Kulturzentrums. Kurfürst Karl Theodor (1724–99), der 1743 die Regierung angetreten hatte, war vielleicht der einzige deutsche Fürst jener Zeit, der mit der Bewunderung des auch von ihm eifrig nachgeahmten Gehabens der französischen Könige ernste Fürsorge für Kunst und Wissenschaft und obendrein ein gewisses Nationalbewußtsein verband. Wenn er sein Lustschloß Schwetzingen zu einem kleinen Versailles zu machen strebte und auch im Verhältnis zum weiblichen Geschlecht das Beispiel des Sonnenkönigs allzu treu befolgte, so schuf er auf der anderen Seite eine tüchtige Akademie der Wissenschaften, legte eine ausgezeichnete Kunstsammlung an und suchte nach Möglichkeit Anschluß an die aufstrebende deutsche Literaturbewegung. Man hatte Männer von literarischem Ruf an Ort und Stelle – Gemmingen, Klein, Dalberg, Maler Müller –, gewann den Besuch Klopstocks, suchte Fühlung mit Lessing und wußte Wieland später häufiger hinzubringen. Die Gründung eines deutschen Schauspiels an Stelle des sonst an Höfen üblichen französischen wurde mit Eifer und unter Aufwendung großer Mittel betrieben. Das schöne neugebaute Nationaltheater erhielt allerdingserst wenige Jahre später durch Schillers Genius die Weihe, doch besaß die Bühne schon damals ein gutes Schauspielensemble.
Der künstlerische Schwerpunkt Mannheims lag aber in der Musik . Die ganze Bedeutung Mannheims nach dieser Richtung ist erst neuerdings wieder, vor allem durch die Forschungen Hugo Niemanns ins rechte Licht gesetzt worden. Man hat ja schon immer von einer »Mannheimer Komponistenschule« gesprochen, aber durch die unvergleichlichen Leistungen der deutschen Musik in den Jahrzehnten um 1800 wurde die vorangehende Arbeit verdunkelt. Heute wissen wir, daß die Umwandlung des gesamten Orchesterstils, durch die die große deutsche Orchestertechnik überhaupt erst ermöglicht wurde, von Mannheim ausging. 1742 war hierhin der Böhme Johann Stamitz (1717–57) als
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