Mozart - Sein Leben und Schaffen
verknüpft waren, so oberflächlich die dramatische Begründung der Tänze war, die neben großartigen Szenerien und breiten Massenaufzügen den Hauptraum einnahmen. Schon hatte man in diesen Balletts die bloße Pantomime durch eingestreute Sprüche belebt. Es war nicht schwer, an Stelle dieser kleinen Gedichtehen ein Lied, eine Arie zu setzen. Mit diesen musikalischen Einschiebseln begnügte man sich, bis Kardinal Mazarin italienische Operntruppen nach Paris zu Gastspielen berief. Das geschah zwischen 1645 und 1652 wiederholt, ohne daß diese italienischen Operntruppen große Erfolge gehabt hätten. Die Franzosen vermißten dabei zu sehr ihr Ballett. Außerdem waren die antiken Stoffe nicht in der hier beliebten Art behandelt, wo das Drama es bereits zu einem Corneille und mit ihm zur Einengung der Antike in die Schnürbrust einer steifen Etikette und scharf geregelten akademischen Sprache gebracht hatte.
Immerhin war jetzt das Verlangen nach einer französischen Oper geweckt. Das herkömmliche Ballett konnte nicht mehr genügen. Aber freilich durfte diese Oper vom überkommenen Besitzstand nichts aufgeben; sie mußte das Ballett in sich schließen, sie mußte Gelegenheit zu Chorgesang darbieten. Vor allen Dingen mußte sie aber auch »dramatisch« sein. Je weniger der Sinn für das eigentlich Musikalische ausgebildet war, um so weniger mochte man sich durch reich ausgebildete musikalische Formen die Forderungen verkümmern lassen, die man an ein Drama zu stellen gewohnt war. In dieser Art arbeiteten der Dichter Pierre Pérrin und der Musiker Robert Cambert die ersten französischen Opern aus: »La pastorale« (1659) und » Ariadne, ou le mariage de Bacchus «(1661). Der Erfolg war so groß, daß Ludwig XIV.(1669) Perrin ein Patent zur Einrichtung ständiger Opernaufführungen (Académie royale de Musique) erteilte. Aber bald nach der Aufführung der ersten richtigen Oper » Pomona « (1671) gerieten Perrin und Cambert in Streit, den Lully so geschickt ausnützte, daß 1672 das Patent ihm in erweiterter Form übertragen wurde. Damit war ihm erlaubt, gegen Bezahlung vor dem PublikumOpern, »selbst jene, die vor dem König aufgeführt worden warm«, vorzustellen.
Lully begann noch 1672 mit »La fete de I'amour et de Bacchus«, der 18 weitere Opern folgten. Entscheidend war, daß er in Quinault einen Dichter gefunden hatte, der das dramatische Interesse in solchem Maße wachzuhalten verstand, daß es neben Szenerie und Tanz das Übergewicht behielt und die Musik nicht zur alleinherrschenden Macht wurde. Am so mehr herrschte diese Dramatik vor, als es Quinault gelang, die Tänze, Balletts und Aufzüge logisch aus dem Stoffe herauswarfen zu lassen, sie also dem eigentlich Dramatischen dienstbar zu machen. Und nun brachte Lully auch die Musik in Dienststellung gegenüber dem Texte. Er übernahm keine der in der Opera Lena so reich entwickelten Formen. Wie man es ursprünglich im florentinischen Musikdrama verlangt hatte, diente die Musik nur zur Hebung des Textwortes. Das Rezitativ, das sich getreu der Sprache anschließt, gab dem musikalischen Ausdruck durchgehends den Charakter. Jede Steigerung des Ausdrucks fand in der Musik durch melodische Ausbildung ihr Echo. Es bot also diese Art Gelegenheit zu reicher Anwendung melodischer Elemente, nicht aber zur Ausbildung und Erweiterung derselben zu größeren Formen, noch auch zu einer innigen Verschmelzung dieser melodischen Teile. So kommen an selbständigen Musikstücken in der Regel nur die zweiteiligen aus einem langsamen Grave und einem fugierten Allegro bestehenden Ouvertüren und die kurzen Ritornelle als Vorspiele zu den Tänzen in Betracht. Kommt es zu Ensemblesätzen, so sind diese lediglich nach Rücksichten der Verständlichkeit des Textes gebaut, so daß die einzelnen Stimmen entweder nacheinander abwechseln oder Note auf Note im Zusammenhange singen. Auch die Chöre sind im Grunde nur eine mehrstimmig ausgesetzte Harmonie. Das Orchester hat nur in den erwähnten Instrumentalsätzen und Tänzen selbständige Bedeutung, im allgemeinen gibt es nur zu jeder Note des Basses die volle Harmonie. Die eben erwähnten Tänze und die Bühnenaufzüge bilden in musikalischer Hinsicht den Kern der Opern. Der Tanzrhytmus beherrscht auch in den etwavorkommenden Liedern die Gestaltung der Melodie, die schon mit Rücksicht auf die geringe Gesangskunst der zur Verfügung stehenden Kräfte nirgendwo an die blühende Üppigkeit der Italiener gemahnt.
Was also Lully und mit ihm
Weitere Kostenlose Bücher