Mozart - Sein Leben und Schaffen
überlegte, in der Einbildung tunliche Aussichten sich dahin bringen läßt, dem Nutzen fremder Leute seinen eigenen Ruhm und Nutzen, und sogar den Nutzen und die seinen alten, ehrlichen Eltern schuldige Hilfe aufzuopfern, dieser Brief hat mich um so mehr niedergeschlagen, als ich mir vernünftige Hoffnung machte, daß Dich einige Dir schon begegnete Umstände und meine hier mündlich und Dir schriftlich gemachten Erinnerungen hätten überzeugen sollen, daß man, um sein Glück sowohl als auch sein nur gemeines Fortkommen in der Welt zu suchen und unter der so verschiedenen Art guter, böser, glücklicher und unglücklicher Menschen endlich das gesuchte Ziel zu erreichen, sein gutes Herz mit dergrößten Zurückhaltung verwahren, nichts ohne die größte Überlegung unternehmen und sich von enthusiastischen Einbildungen und ungefähren blinden Einfällen niemals hinreißen lassen müsse. Ich bitte Dich, mein lieber Sohn, lese diesen Brief mit Bedacht, nehme Dir die Zeit, solchen mit Überlegung zu lesen – großer, gütiger Gott, die für mich vergnügten Augenblicke sind vorbei, wo Du als Kind und Knabe nicht schlafen gingst, ohne auf dem Stuhl stehend mir das oragnia figataxa vorzusingen, mich öfters und am Ende auf das Nasenspitzel zu küssen und mir zu sagen, daß, wenn ich alt sein werde, Du mich in einer Kapsel, wo ein Glas vor, vor aller Luft bewahren wolltest, um mich immer bei Dir und in Ehren zu halten. Höre mich demnach mit Geduld!
Unsere Salzburger Bedrückungen sind Dir vollkommen bekannt, Du weißt mein schlechtes Auskommen und endlich, warum ich Dir mein Versprechen gehalten, Dich weitergehen zu lassen, und alle meine Drangsale. Die Absicht Deiner Reise waren zwei Ursachen: oder einen beständigen guten Dienst zu suchen, oder wenn dieses mißlingt, sich an einen großen Platz zu begeben, wo große Verdienste sind. Beides ging auf die Absicht, Deinen Eltern beizustehen und Deiner lieben Schwester fortzuhelfen, vor allem aber Dir Ruhm und Ehre in der Welt zu machen, welches auch teils in Deiner Kindheit schon geschehen, teils in Deinen Jünglingsjahren, und jetzt nur ganz alleine auf Dich ankommt, in eins der größten Ansehen, die jemals ein Tonkünstler erreicht hat, Dich nach und nach zu erheben. Das bist Du deinem von dem gütigsten Gott erhaltenen außerordentlichen Talente schuldig, und es kommt nur auf Deine Vernunft und Lebensart an, ob Du als ein gemeiner Tonkünstler, auf den die Welt vergißt, oder als ein berühmter Kapellmeister, von dem die Nachwelt noch in Büchern liest – ob Du von einem Weibsbild etwa eingeschläfert mit einer Stube voll notleidender Kinder auf einem Strohsack oder nach einem christlich hingebrachten Leben mit Vergnügen, Ehre und Reichtum, mit allem für Deine Familie wohl versehen, bei aller Welt in Ansehen sterben willst?«
Nun verweist er auf den bisherigen Verlauf der Reise, auf dievielfachen Enttäuschungen, die Wolfgang bei seinen Überschwenglichkeiten erlebt hatte, auf seine schnell erwachte, aber auch rasch erloschene Begeisterung für verschiedene Personen, um ihm nun mit genauester Sachkenntnis klarzumachen, daß er sich auch mit Aloysia Weber ganz törichten Hoffnungen hingebe, wenn er sich einrede, daß sie so bald, ohne längere Vorbereitung, in Italien würde Erfolge gewinnen können. »Doch Du weißt alles selbst, wenn Du nachdenken willst; ich weiß, die scharfe Überlegung alles dieses wird Dich überzeugen, daß Dein Einfall zwar von gutem Herzen kommt, aber seine Zeit und große Vorbereitung braucht, und ganz ein anderer Weg muß genommen werden, solchen nach einer längeren Zeit auszuführen ...
Dein Vorschlag (ich kann kaum schreiben, wenn ich daran denke), der Vorschlag, mit Herrn Weber und NB. zwei Töchtern herumzureisen, hätte mich beinahe um meine Vernunft gebracht. Liebster Sohn! wie kannst Du Dich von einem so abscheulichen Dir zugebrachten Gedanken auch nur auf eine Stunde einnehmen lassen! Dein Brief ist nicht anders als wie ein Roman geschrieben. – – Und Du könntest Dich wirklich entschließen, mit fremden Leuten in der Welt herumzuziehen? Deinen Ruhm, Deine alten Eltern, Deine liebe Schwester auf die Seite zu setzen? mich dem Fürsten und der ganzen Stadt, die Dich liebt, dem Spott und dem Gelächter auszusetzen? ja dem Spott, und Dich der Verachtung auszusetzen, da ich aller Welt, die mich immer fragte, sagen mußte, daß Du nach Paris gehen wirst, und am Ende wolltest Du mit fremden Personen aufs Geratewohl herumziehen?
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