Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell
dachte darüber nach, die Stirn gerunzelt. Er wollte das Zimmer sehen? Sollte er doch. Wie hätte sie ihn auch daran hindern können? Wenn er auf sie losging, war jede Gegenwehr ihrerseits zwecklos. In einem Kampf mit ihm wäre sie wie ein Schwamm, der in die Zähne einer Kettensäge gerät. Sie winkte ihm, ihr die Treppe hinaufzufolgen.
Als Esther die Tür der Kammer aufmachte und er an ihr vorbeiging, drehte sie ruckartig den Kopf zur Wand, angewidert von dem Höhlenbodengestank. Mr. Chartwell schlug Häkeldecke und Bettzeug zurück und prüfte mit festen Stößen die Matratze. Sie wurde für zufriedenstellend befunden. Mit mehrmaligem Aufreißen und Schließen wurde die Leichtgängigkeit der Schranktür kontrolliert. Er steckte den Kopf hinein, um den Stauraum zu begutachten.
Esther sagte: »So, das ist es. Das ist das Zimmer.«
Mr. Chartwells Augen waren beschäftigt. Sie richteten sich auf den Rosenholzschreibtisch an der einen Wand, den darunterstehenden Holzstuhl. Der Stuhl hatte ein durchgesessenes und von Falten zerfurchtes Polster. Bemühungen, es in eine ordentliche Form zu klopfen, fruchteten nicht, doch der Gedanke, ihn wegzuwerfen, verbot sich. Auf dem Schreibtisch stand ein Aufgebot von Bechern mit Bleistiften, Kugelschreibern und allerlei Kleinkram. In einem Becher eine uralte Zuckerstange, in einem anderen eine Spielzeugkuh aus Plastik und ein Trommelstock mit aufgemaltem Gesicht. Ein abgeschälter Zweig wohnte unter den Bleistiften, daneben ein Kompass und eine kleine Elfenbeinschnitzerei. Wasserringe auf dem Holz erzählten eine Geschichte heißer Getränke. Der Schreibtisch war ein Museum. Mr. Chartwells Pfote wanderte zu einer Schublade und drehte den Griff. Der Griff war locker, und begeistert rüttelte er daran. Er rief sich zur Ordnung.
An der Wand über dem Schreibtisch das kleine blasse Viereck eines abgenommenen Fotos. Mr. Chartwell blickte unverwandt den hellen Fleck an, während Esther sagte: »Es war früher ein Arbeitszimmer. Deswegen steht hier der Schreibtisch.«
Mr. Chartwell wandte sich von dem Fotofleck ab, spielte mit der Wamme an seiner Kehle und ließ sich alles durch den Kopf gehen. »Wie steht’s mit der Benutzung des Wagens?«, fragte er nach einer Weile. »Könnte ich gelegentlich damit fahren?«
»Nein«, log Esther entschieden. »Eine Benutzung des Wagens ist ausgeschlossen.«
Er sah sie an und wusste, dass sie log. Die Wamme wurde hierhin und dorthin gezupft. Seine Augen schweiften über die Decke. »Und die Nachbarn, wie sind die so?«
»In Ordnung, würde ich sagen«, meinte Esther. »Ich bekomme sie nicht sehr oft zu Gesicht.« Dann setzte sie noch hinzu: »Sie habenallerdings eine Katze. Ich weiß nicht, ob das ein Problem wäre … «
Mr. Chartwell bedachte sie mit einem sarkastischen Blick. »Ist die Katze für Sie ein Problem?«
»Nein«, sagte Esther. »Ich dachte nur … « Sie verzichtete darauf, ihm zu sagen, was sie gedacht hatte.
»Und Sie haben hier noch andere Mieter?«, fragte Mr. Chartwell.
»Nein, Sie wären der einzige«, sagte Esther.
»Ich wäre der einzige?« Mr. Chartwell fasste das als Einladung auf. Er schöpfte Hoffnung.
Esther korrigierte sich rasch. »Es gäbe nur einen Mieter, wollte ich sagen.«
»Und der wäre ich?«, sagte Mr. Chartwell.
»Ähm … «
Ein längeres beklemmendes Schweigen.
»Mr. Chartwell«, sagte Esther mit übertriebener Diplomatie, »es ist nicht so, dass ich nicht an Ihrem Angebot interessiert wäre oderdass ich der Meinung wäre, Sie wären kein rücksichtsvoller Mieter, aber ich habe meine Zweifel, ob daraus etwas werden kann. Ich suche eigentlich jemanden, der eher … na ja, eher so was wie … «
»Sie mögen keine Hunde, Mrs. Hammerhans?«, fragte Mr. Chartwell.
»Doch«, entgegnete Esther, »ich mag Hunde. Hunde sind etwas Wunderbares. Ich bin es nur nicht gewohnt, Zimmer an sie zu vermieten. Ich kenne sie eher«, es war heraus, bevor sie es verhindern konnte, »als Haustiere.«
»Ich bin kein Haustier«, stellte Mr. Chartwell klar.
»Das sehe ich.«
Mr. Chartwells befremdeter Blick deutete an, dass er ihr nicht ganz folgen konnte, und so musste sie deutlicher werden. »Ich denke dabei vor allem an unser Verhältnis, an die möglichen Folgen dieses Verhältnisses. Nehmen wir mal an, Sie ziehen hier ein … « Der nächste Satz war nicht leicht über die Lippen zu bringen. »Was ist, wenn jemand verletzt wird?«
»Wie bitte? Wer wird verletzt?«, fragte Mr. Chartwell.
Beinahe
Weitere Kostenlose Bücher