Mr. Fire und ich (Band 6)
mehr lange zu leben. Ihre Mutter war kurz davor, Tercari zu verkaufen, um sich Ihnen und Agathe zu widmen. Sie konnte es nicht mehr ertragen, durch ihre Arbeit von Ihnen getrennt zu sein. Sie wollte ihre Entscheidung bekannt geben ... Nur wenige Leute wissen das, aber Ihr Vater kann es Ihnen bestätigen. Und dann, Madame, nein, ich weiß nicht, was dann geschehen ist“, fährt Ray zu Diane gewandt fort. „Aber ich sage Ihnen, was ich glaube: Sie haben jemanden dabei überrascht, wie er Jérémie ersticken wollte. Sie haben ihn daran gehindert, aber anstatt den Alarm auszulösen, haben Sie versucht, ihn zur Vernunft zu bringen. Diese Person ist geflohen. Und genau in diesem Moment ist Monsieur hereingekommen, nicht wahr? Er hat Sie mit einem Kissen in der Hand über der Wiege Ihres Kindes überrascht. Er hat den Mörder nicht gesehen, aber Sie schon.“
„Diane, ist das wahr?“, fragt Camille mit flehender Stimme.
Trotz ihrer Schmerzen begegnet Diane Wietermann der Versammlung mit einem hochmütigen Blick. Ihre Antwort ist weit entfernt von der Enthüllung, die wir alle erwartet haben:
„Noch heute bin ich der Überzeugung, dass es besser gewesen wäre, du wärst gestorben, ohne zu leiden. Schau dich an, Jérémie: Ist das ein Leben?“
Haydée bricht ihr Schweigen:
„Für wen halten Sie sich? Für Gott?
Wo waren Sie denn, als Jérémie vor Schmerzen schrie?“
„Halten Sie den Mund!“
„Unterstehe dich, so mit ihr zu sprechen! Du hast nicht die geringste Ahnung, wer sie ist und was sie alles für mich getan hat.“
Von meinem Standpunkt aus kann ich sehen, dass sich auf dem Anwesen etwas regt. Draußen parken Busse mit den Logos der großen Fernsehsender und Journalisten eilen heran. Ich glaube auch, Polizeisirenen zu hören. Ich schöpfe Hoffnung.
Wird unser Albtraum bald ein Ende haben?
Ich bin nicht die Einzige, die sie gehört hat: Jérémie ist außer sich vor Wut.
„Du hast die Bullen verständigt, du Dreckskerl“, brüllt er Ray an.
Ray weicht zurück. Jérémie würde ihn schlagen, wenn er die Kraft dazu hätte, davon bin ich überzeugt. Aber Jérémie scheint erschöpft.
„Das ist nicht schlimm, Liebling“, sagt Haydée zu ihrem Mann. „Sie werden nichts unternehmen, solange wir Geiseln haben. Wir haben alle Trümpfe in der Hand.“
„Ray, ist das restliche Personal in Sicherheit?“, fragt Daniel.
„Ja, Monsieur“, erwidert Ray. „Martha und Huguette sind draußen.“
„Ich danke Ihnen, Ray“, sagt Daniel erleichtert.
Dann wendet er sich an seinen Bruder:
„Nach dem, was ich hier sehe, haben sie auch das Fernsehen verständigt. Die Sensationsmeldung über dich wird um die ganze Welt gehen, Jérémie. Ich nehme an, das ist das, was du wolltest.“
Wir bekommen nicht alles mit, aber die Fragen der Journalisten und ihre Informationsjagd sind deutlich zu hören. Sie drängeln und wetteifern darum, wer das beste Foto oder die spektakulärste Großaufnahme macht. Vermutlich haben die Schüsse die Sensationsgierigen angelockt und die Spannung wachsen lassen. Alle fünf Minuten sieht man einen neuen Journalisten, der sich vor einer Kamera positioniert. Jérémie scheint tatsächlich mit sich zufrieden.
Ich zucke zusammen, als ich höre, wie draußen mein Name fällt.
„Julia Belmont. Die junge Frau, die mit Daniel Wietermann zusammen ist ... Das ist ihr Telefon ... Sie war im Park.“
Ich erkenne die Stimme von Huguette, der Gouvernante von Agathe. Hilflos hebe ich meinen Blick zu Daniel.
„Mach dir keine Sorgen. Das ist nicht schlimm“, versucht Daniel, mich zu beruhigen.
Aber ich muss an meine Eltern und an die Medien denken.
Armer Papa ... Mama ... Wenn es eine Reportage über die Geiselnahme in Sterenn Park gibt, werden meine Eltern notgedrungen darüber informiert ... Sie werden vor Angst umkommen!
Instinktiv greife ich nach meinem Telefon, obwohl ich gerade eben den Beweis dafür bekommen habe, dass es nicht bei mir ist.
Das alles hier ist also kein Irrtum ... Vielleicht ein Traum ... Eher noch ein Albtraum!
Die Realität liegt im Detail ... Sie scheint mich genau in diesem Moment einzuholen. Von der Welt abgeschnitten und zugleich im Rampenlicht werde ich mir der Gefahr bewusst, der wir hier alle ausgesetzt sind.
Aber Jérémie kann es nicht ertragen, nicht mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen:
„Es reicht jetzt! Es wird Zeit, dass jeder erfährt, was hier los ist! Alle Welt wird die Wahrheit erfahren.“ Seine Augen sind blutunterlaufen.
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