Mr. Fire und ich (Band 8)
zu gehen. Auf meinem Nachttisch vibriert mein Telefon.
Wer in aller Welt schickt mir um diese Zeit eine SMS?
Meine Augen fallen bereits zu, aber meine Neugier ist stärker. Ich greife nach meinem Smartphone. Die Nummer des Absenders ist mir nicht bekannt.
[Daniel hat sehr viele Geheimnisse. Ich bin mir nicht sicher, dass du seiner würdig bist. Er sollte nicht jeder X-Beliebigen vertrauen.]
Was soll das bedeuten? Ist das ein schlechter Scherz von meiner ehemaligen besten Freundin?
Ich weiß nicht, was für ein Spiel Sarah spielt, denn ich bin mir sicher, dass sie dahintersteckt, aber ich bin aus dem Alter heraus, in dem man mitten in der Nacht Nachrichten empfängt. Verärgert schalte ich mein Telefon aus. Allein in meinem Bett werde ich von einer Frage verfolgt:
Daniel, warum bist du so weit weg?
3. Rückkehr
Als ich am nächsten Tag die Augen öffne, ist es spät, aber ich mache mir keine Sorgen: Die Universität ist keine zwanzig Minuten von hier entfernt.
Ich bin so aufgeregt.
Liegt das an der Dichte der neuen Vorhänge oder an der allgemeinen Erschöpfung aufgrund der langen Reise und blank liegender Nerven? Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Dafür habe ich zum ersten Mal seit mehreren Tagen das Gefühl, wieder ein bisschen Energie zu haben.
Als ich in die Küche komme, hat Hugo bereits seinen Mantel an. Er ist auf dem Sprung.
„Ich hole einen Freund ab“, erklärt er mir. „Möchtest du mit uns zu Mittag essen?“
„Ich weiß noch nicht. Die Zeitverschiebung hat mich ziemlich geschlaucht, glaube ich. Ich bin noch nicht so recht in meinem Pariser Alltagsleben angekommen. Heute Vormittag muss ich mich an der Uni einschreiben und ich hab keine Ahnung, wie lange das dauern wird.“
„Dein Vater hat deine Unterlagen also scannen können, das ist eine hervorragende Neuigkeit! Viel Erfolg bei der Einschreibung. Nimm dir irgendeine Beschäftigung mit: Das kann dauern!“
Ich nehme mir kaum Zeit für mein Frühstück, denn es ist schon fast 10 Uhr. Die Sorbonne wartet auf mich.
***
Seit ich aus der Metro gestiegen bin, ist mir mulmig zumute. Vor ein paar Minuten hat mein Handy in meiner Tasche vibriert. Zuerst hatte ich nicht an einen Zusammenhang zwischen der Nummer, die angezeigt wurde, und der SMS von gestern Abend gedacht. Als ich dann aber die Nachricht gelesen habe, bin ich vor Schreck erstarrt.
[Hast recht, geh wieder in die Schule, kleines Mädchen. Du bist nicht reif genug für einen Mann wie Daniel.]
Wer um Himmels Willen schickt mir eine solche Nachricht? Ich wusste ja selbst nicht einmal, dass ich heute Vormittag zur Uni gehen würde!
Ängstlich blicke ich mich um. Einige ältere und viele junge Menschen, ein paar Touristen, Leute, die es eilig haben … eine bunt gemischte Menge, in der ich natürlich niemanden identifizieren kann. Entgegen aller Logik suche ich sogar nach der Silhouette von Ray, Daniels Chauffeur. Zu Beginn unserer Beziehung hatte Daniel ihn gebeten, mich zu beschatten. Ihm zufolge, um mich zu beschützen! Meiner Meinung nach, um mich zu überwachen. Nicht eine Sekunde ziehe ich in Betracht, dass diese Mitteilungen von Ray stammen könnten. Er ist ein anständiger Mensch und er hat meine Beziehung zu Daniel immer mit Wohlwollen betrachtet. Im Übrigen wäre Rays Anwesenheit in diesem Moment eine echte Beruhigung, aber ich bin allein.
Ich beschließe, die Nachricht zu ignorieren; ich habe andere Dinge zu tun.
Daniel wird nächstes Jahr vielleicht gar nicht mehr zu meinem Leben gehören! Aber werde ich zweimal die Möglichkeit haben, mich an der Sorbonne einzuschreiben?
Ich habe das Gefühl, die Stimme meiner Mutter zu hören, als sie mich tröstete, wenn ich am Gymnasium Liebeskummer hatte. „Mach erst mal dein Abi! Andere Mütter haben auch schöne Söhne!“ Die Vorstellung, mein Leben ohne Daniel zu verbringen, ist ganz einfach … unerträglich. Anstatt meine Tatkraft zu stärken, stürzt mich dieser Gedanke in einen Abgrund der Verzweiflung. Ich reihe mich in die Warteschlange ein.
„Wo haben Sie in den letzten sechs Monaten gelebt?“
„In New York. Wie ich Ihnen gerade schon gesagt habe, habe ich dort sechs Monate lang gearbeitet.“
Was mache ich hier eigentlich? Ich habe das Gefühl, in einem Irrenhaus gelandet zu sein.
Zum fünften Mal erkläre ich der Sekretärin im Immatrikulationsbüro meine Lage.
„Ja, das sehe ich auch“, erwidert die Dame sichtlich verärgert. „Aber ich sehe keine Wohnbescheinigung für diesen
Weitere Kostenlose Bücher