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Mr. Joenes wundersame Reise

Mr. Joenes wundersame Reise

Titel: Mr. Joenes wundersame Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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gut vorstellen«, pflichtete Joenes dem Colonel bei. »Doch warum fertigen Sie über-208
    haupt eine falsche Karte an? Warum machen Sie sich diese Mühe?«
    »Um der Sicherheit willen«, sagte der Colonel.
    »Doch um das zu begreifen, müßten Sie erst mal wissen, was in einem Spion vorgeht, wenn er eine solche Karte in die Finger bekommt, dann erst würden Sie erkennen, daß eine solche Karte die bedeu-tendste Schwachstelle eines Spions trifft, wodurch er noch hilfloser wird, als wenn er überhaupt keine Karte zur Verfügung hätte. Und um das ermessen zu können, müßten Sie sich mit der Mentalität eines Spions vertraut machen.«
    Jones mußte eingestehen, daß diese Erklärung ihn doch stark verwirrte. Aber der Colonel meinte besänftigend, es wäre lediglich eine Frage des Verständnisses. Man brauche nur die Denkweisen eines Spions zu verinnerlichen. Und um diese ei-genwillige Denkweise zu verdeutlichen, erzählte er Joenes eine Geschichte von einem Spion und wie dieser sich verhält, wenn er in den Besitz einer solchen Karte gelangt.
    DIE GESCHICHTE VOM SPION
    Der Spion (schilderte der Colonel) hat bisher sämtliche Hindernisse überwunden. Ausgerüstet mit der wertvollen Karte, ist er tief ins Gebäude eingedrungen. Nun versucht er, die Karte zu benutzen und stellt fest, daß sie ihm nicht das liefert, wo-209
    nach er sucht. Doch er erkennt gleichzeitig, daß es sich um eine hervorragend angelegte Karte handelt und daß sie zudem auf wertvollem Regierungspa-pier gedruckt ist; sie trägt zudem eine Seriennum-mer der Regierung und einen Stempel, der sie zum Gebrauch freigibt. Es ist eine klar gegliederte, sauber gezeichnete Karte, ein Schmuckstück, ein Mei-sterwerk der Karthographie. Wirft der Spion sie nun fort und fertigt er danach eine eigene Karte nach den Gegebenheiten an, die er mit eigenen Augen sieht? Benutzt er sein winziges, geheimes Notizbuch als Unterlage für diese Zeichenarbeit und einen Kugelschreiber, der alle nasenlang streikt?
    Man kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, daß er das nicht tut. Auch wenn er auf diesem Weg wahrscheinlich den größten Erfolg, den größten Nutzen haben würde, ist und bleibt unser Spion jedoch nur ein Mensch. Er wagt es nicht, seine begrenzten Fähigkeiten im Beobachten, Beurteilen, Werten und Analysieren mit denen der Experten zu messen. Es erfordert heroischen Mut und ein absurd hohes Selbstbewußtsein, diese Karte wegzuwerfen und sich auf nichts anderes zu verlassen als auf seine Sinne. Verfügte er über diese Eigenschaften, dann wäre er wohl niemals Spion geworden. Er hätte sich wohl eher für die Laufbahn eines Anführers entschieden oder wäre Wissenschaftler oder Künstler geworden. Aber er ist nichts von alledem; er ist ein Spion; er ist ein Mensch, der 210
    sich entschieden hat, etwas über Dinge in Erfahrung zu bringen, anstatt selbst Dinge zu schaffen, er will ausspionieren, was andere wissen, anstatt sich selbst eigenständiges Wissen anzueignen. Notwendigerweise geht er davon aus, daß die Wahrheit stets in seiner Umgebung zu suchen ist, da kein echter Spion glauben würde, daß sein Lebenswerk darin bestehen könnte, irgendwelche Irrtümer auf-zudecken.
    Das alles ist sehr wichtig, wenn wir uns mit der Psyche des Spions allgemein beschäftigen und insbesondere mit der Persönlichkeit des Spions, der die Regierungskarte gestohlen hat und in dieses streng bewachte Gebäude eingedrungen ist.
    Ich glaube, wir können diesen Spion durchaus als einmalig und hervorragend sowie als erfüllt von außerordentlichem Diensteifer, hoher Raffi-nesse und Ausdauer bezeichnen. Diese Qualitäten haben ihn alle Gefahren überwinden lassen. Doch eben diese Qualitäten beeinflussen auch seine Denkweise und haben zur Folge, daß er bestimmte Aktionen durchziehen wird und dafür andere unterlassen wird. Daher müssen wir uns über eines im klaren sein,: je besser er bei seiner Arbeit ist, je zielgerichteter sein Wille, je stärker seine Ein-satzbereitschaft, je größer seine Erfahrung und je größer seine Geduld, desto geringer ist die Chance, daß er diese Tugenden außer Kraft setzt, die Karte wegwirft, Stift und Papier in die Hand nimmt und 211
    das aufzeichnet, was seine Augen erblicken. Mag sein, daß es Ihnen überaus leicht und durchführ-bar erscheint, eine Regierungskarte zu vernichten, der Spion jedoch empfindet diese Vorstellung als geschmacklos, sonderbar, widerwärtig und seinem Genius total fremd.
    Statt dessen beginnt der Spion über die

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