Mr. Joenes wundersame Reise
Ich habe mir eingehend die vielen Filme von Spionen angeschaut, und ich habe sogar mehr als einmal die berühmte Oper über Spione gehört und gesehen. Auf diese Weise schuf ich mir nicht nur eine tiefreichende, sondern auch eine breite Basis in dieser Welt. Auf dieser Basis kann ich vertrauen und betrachte von dort aus meine Umwelt unter einem ganz bestimmten Gesichtspunkt.«
»Natürlich«, erinnert der Spion sich selbst, »darf ich nicht den Fehler machen und denken, daß alles auf den Vorgang des Spionierens und seine Technik 218
reduziert werden kann. Selbst wenn das wirklich der Fall sein sollte, handelt es sich dabei um eine Form der Simplifikation, die der intelligente Mensch meiden sollte. Nein, Spionieren ist nicht alles! Viel eher ist es lediglich der Schlüssel zu allem.«
Nachdem er das geklärt hat, verfolgt der Spion seinen Gedankengang weiter und sagt: »Spionieren ist nicht alles; doch zum Glück für mich hat diese Karte mit dem Spionieren herzlich wenig zu tun. Pläne wie diese sind Ursprung und Ende des Spionierens, und wenn ich eine solche Karte in der Hand halte und weiß, daß sie von der Regierung angefertigt wurde, dann stehe ich einem Problem gegenüber, für dessen Lösung ich eine ganz bestimmte, anerkannte Kompetenz habe. Ein chiffrierter Plan ist ein besonders lohnendes Ziel für den Prozeß des Spionierens, desgleichen allerdings auch ein Plan, der stellenweise bewußt gefälscht wurde. Sogar eine Karte, die insgesamt falsch ist, könnte einen Spion interessieren.«
Nun ist der Spion bereit, den Lageplan zu analysieren. Er sagt sich:
»Es gibt insgesamt drei Möglichkeiten. Erstens, die Karte entspricht den Gegebenheiten und ist lediglich chiffriert. In diesem Fall muß ich sie entziffern, dechiffrieren, indem ich all meine Geduld und mein Können einsetze.
Zweitens, die Karte entspricht nur zum Teil den Gegebenheiten und sie ist verfremdet. In diesem 219
Fall werde ich entscheiden, welcher Teil der richtige ist und ihn wie vorher dechiffrieren. Für jemanden, der in diesem Bereich keine Erfahrungen hat, muß das eine unüberwindliche Schwierigkeit darstellen, doch für einen Experten ist dies ein Problem, mit dem er über kurz oder lang fertig wird.
Und sobald ich auch nur einen winzigen Teil des Planes richtig analysiert habe, wird sich der Rest von selbst offenbaren. Damit bliebe lediglich der falsche Teil der Karte übrig, den jemand anderer sicherlich fortwerfen oder gar vernichten würde. Das tue ich jedoch nicht. Ich würde auch den falschen Teil genauso behandeln und meine Überlegungen dazu anstellen, wie ich es mit der gesamten Karte tun würde, falls diese insgesamt gefälscht wäre, was schließlich die dritte Möglichkeit wäre.
Drittens, wenn die gesamte Karte gefälscht ist, muß ich sehen, welche Informationen ich trotzdem aus der falschen Zeichnung herausfiltern kann. Obwohl natürlich die Vorstellung, daß die Regierung einen im Grunde falschen Lageplan herausgibt, total absurd ist, wollen wir einmal annehmen, daß dies wirklich der Fall ist. Oder sagen wir lieber, daß es in der Absicht der Hersteller dieser Karte lag, sie völlig falsch zu zeichnen. In einem solchen Fall müßte ich erst einmal fragen, wie man überhaupt eine falsche Karte zeichnet.
Leicht ist das nicht, soviel weiß ich immerhin.
Wenn der Kartenzeichner in diesem Gebäude ar-220
beitet, dann durchschreitet er sämtliche Korridore, steigt alle möglichen Treppen hinauf und hinunter, betritt und verläßt unzählige Büros und kennt daher dieses Gebäude wie niemand sonst. Wenn ein solcher Mann also versucht, eine falsche Karte zu zeichnen, muß man sich fragen, wie er es schafft, zu vermeiden, daß er nicht doch teilweise reale Gegebenheiten im Innern des Gebäudes wiedergibt.
Das kann er auch gar nicht. Diese Tatsache, mit der er sich konfrontiert sieht, beweist ihm, daß sein Bemühen um einen völlig falschen Plan vergeblich sein muß. Und wenn er durch Zufall wirklich einen Teil des Gebäudes richtig zeichnet, würde ich diese Stelle mit tödlicher Sicherheit irgendwann finden, womit sämtliche im Gebäude gehüteten Geheimnisse keine mehr wären und ich alles erführe, was ich wissen will.
Doch angenommen, die hohen Beamten haben ebenfalls über diese Frage nachgedacht und haben infolgedessen der Herstellung eines falschen Planes größte Aufmerksamkeit geschenkt. Gestehen wir ihnen sämtliche Zweifel und Irrtümer zu, die dieser Situation entsprechen. Sie wissen, daß die Karte,
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