Mr. K: Thriller (German Edition)
dessen Ausstrahlung ich mich jedoch einschüchtern ließ.
Ich beschloss, mich diesmal nicht einschüchtern zu lassen. Selbst wenn ich dafür mit ihm ins Bett gehen musste.
»Sie glauben also, dass ich das kann?« Ich sah Shell dabei an und nicht Herb.
Shell beugte sich über den Tisch und schob die Hände nach vorne. Dabei berührten seine Finger leicht die meinen. »Absolut. Ich glaube, Sie sind perfekt für diesen Job.«
Herb trank sein Bier zur Hälfte aus und verschüttete ein bisschen davon auf seine Krawatte. »Dies ist nicht wie deine Einsätze auf dem Straßenstrich, Jacqueline. Dein Partner mit der großen Klappe hat recht. Wir wissen nicht, wer hinter den Morden an Shells Mädchen steckt. Vielleicht ein Kunde oder jemand aus dem Milieu. Vielleicht ein Fremder, der seinen Opfern im Schutz der Dunkelheit nachstellt. Du musst deine Rolle voll ausleben. Dazu gehört, dass du mit den anderen Mädels unter einem Dach wohnst und mit ihnen redest, als wärst du eine von ihnen. Du musst sogar eine von ihnen werden und dich mit Männern treffen.«
»Aber ich muss nicht …«
»Mit ihnen ins Bett gehen?«, fragte Shell mit einem verschmitzten Lächeln. »Nein. Wir sind ein legitimer Escort-Service. Ein typischer Kunde wäre zum Beispiel ein Immobilienmakler, der eine hübsche Begleitung für sein Klassentreffen braucht. Oder ein Hypothekenbanker, der nicht allein auf der Hochzeit seiner Nichte aufkreuzen möchte. Oder ein einsamer Witwer, der nicht alleine essen gehen möchte. So in der Art. Das Ganze ist völlig legitim, und unsere Kunden sind sich darüber im Klaren, dass sie nicht sexuell aufdringlich werden dürfen, es sei denn, die Dame ergreift von sich aus die Initiative.«
»Wie oft kommt so was vor?«, fragte ich. Im Hintergrund brachen die anderen Gäste in Gelächter und Beifall aus.
»Einige unserer Kunden sind Männer, die viel Geld und Macht haben«, sagte Shell. »Manche sind Prominente. Was auch immer zwei Erwachsene unter beidseitigem Einvernehmen miteinander machen, hat nichts mit mir oder meiner Agentur zu tun und ist einzig und allein ihre Privatangelegenheit.«
»Kannst du das machen, Jacqueline?«, fragte Herb.
Ich starrte Shell an. »Ja.«
»Sie würden mit den anderen Mädchen zusammenwohnen. Und Sie wären eine Zeitlang von zu Hause weg.«
Ich dachte an mein beschissenes Apartment in Wrigleyville. »Kein Problem.«
»Falls Sie ein Haustier haben, eine Katze …«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich kann Katzen nicht ausstehen. Ich würde mir nie eine halten.«
»Würde es dir was ausmachen, wenn du gleich morgen anfängst?«, fragte Herb. »Dein Captain hat gesagt, die Mordkommission kann dich so lange haben, wie wir dich brauchen.«
Ich unterdrückte nur mit Mühe ein Kichern. Ich und bei der Mordkommission arbeiten? Das war ja mein Ziel gewesen, seit ich zur Polizei gekommen war.
»Morgen geht in Ordnung«, sagte ich, ohne dabei eine Miene zu verziehen.
»Prima!« Shell ergriff meine Hände auf eine Art und Weise, die sowohl förmlich als auch intim wirkte. »Willkommen bei Classy Companions.«
»Wir fangen gleich in der Früh an«, sagte Herb. »Ich kann dich abholen.«
»Ich hab ein Auto«, sagte ich. Es war ein Chevy Nova, der erst ein paar Jahre auf dem Buckel hatte.
»Okay. Wir treffen uns um acht auf der Wache.«
»Klingt gut.« Ich warf Shell einen Blick zu. »Was soll ich anziehen?«
»Was Nettes«, sagte er.
»Was genau verstehen Sie darunter?«
»Ich werde mich drum kümmern.« Er drückte meine Hände noch einmal.
»Wir treffen uns dann alle morgen«, sagte Herb. »In der Zwischenzeit hab ich mir die Akten der Mordopfer besorgt. Ich möchte, dass du sie dir ansiehst. Vielleicht fällt dir irgendwas auf, was wir übersehen haben. Ich bin gespannt, was du dazu sagst.«
Herb holte ein paar Unterlagen aus seiner Aktentasche, legte sie übereinander auf den Tisch und schob mir den Stapel zu. Wenn er mir gesagt hätte, ich sei die schönste Frau der Welt, hätte er mir damit auch nicht mehr schmeicheln können. Meine Wertschätzung für Herb wurde immer größer.
»Ich fang gleich damit an«, versprach ich ihm.
Die Kellnerin brachte Herb die Rechnung. Er blickte mit zusammengekniffenen Augen darauf und verzog das Gesicht.
»Wir haben keine zweiunddreißig Glas Tequila bestellt.«
Sie ließ ihren Kaugummi platzen und neigte eine Hüfte zur Seite.
»Das war Ihr Kumpel, der am Nachbartisch gesessen hat. Er hat jedem in der Bar ‘ne Runde spendiert, hat aber
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