Mr. K: Thriller (German Edition)
sein. Aber ich brauchte diese Information. Wenn ich mit jemandem redete, der die Opfer kannte, würde mir das mehr bringen, als wenn ich ihre Schicksale nur aus Polizeiberichten kannte.
»Vor einem Monat«, sagte Shell. »Sie hieß Nancy. Nancy Slusar. Sie wurde genau wie Linda …«, Shell musste an dieser Stelle schlucken, »… in Stücke zerhackt.«
»Hatten Nancy, Linda oder Sie irgendwelche Feinde?«
»Ich habe Detective Benedict eine kurze Liste mit Namengegeben. Darauf sind drei unzufriedene Kunden, drei Damen, die ich wegen ungebührlichen Benehmens rausgeschmissen habe, und ein Stalker, der eine von den Mädels als Freundin wollte.«
»Und was ist mit Mitbewerbern in Ihrer Branche? Wie kommen Sie mit den anderen Escort-Agenturen zurecht?«
»Die Damen arbeiten oft für mehrere Agenturen, damit sie voll ausgelastet sind. Wir gehen meistens mit gemischten Gefühlen miteinander um.«
»Meistens?«, hakte ich nach.
»Es gibt da einen Laden – die Dodd-Agentur – der auf aggressive Weise versucht hat, ein paar von meinen Mädels abzuwerben und sie exklusiv für sich arbeiten zu lassen. Ich musste mir einen Anwalt nehmen, um mich dagegen zu wehren. Ich glaube, hinter denen steckt die Firma.«
»Die Firma?«
»Sie wissen schon, was ich meine. Die Mafia.«
Ich wünschte mir, ich hätte einen Notizblock wie Herb, um das alles mitzuschreiben. Stattdessen verstaute ich die Informationen in meinem Gedächtnis.
»Aber jetzt mal was anderes.« Shells Tonfall wechselte wieder von traurig und reserviert zu verspielt. »Sind Sie bereit zu einer Einkaufstour?«
»Einkaufstour?«
»Ich meine Kleider. Sie brauchen schließlich was Passendes für Ihr Foto.«
Ich hatte keine Ahnung, worauf er hinauswollte. »Was für ein Foto?«
»Für Ihre Mappe. Kunden wählen ihre Begleiterinnen anhandeines Fotos und einer detaillierten Personenbeschreibung aus. Und deswegen müssen wir einkaufen gehen und für Sie was Passendes besorgen.«
»Dann muss ich das wohl«, sagte ich.
Shell griff in seine Brieftasche und legte einen Hunderter auf den Tisch, was für unsere Rechnung und ein üppiges Trinkgeld locker reichte. »Sie machen nicht den Eindruck, als ob Sie sich darüber freuen. Die meisten Frauen, die ich kenne, gehen gerne einkaufen.«
Ich legte meine Ellbogen auf den Tisch und stützte mein Gesicht auf meinen Händen auf. »Die meisten Männer, die ich kenne, reparieren gerne Autos. Aber bei Ihnen kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie Motorenöl unter Ihre manikürten Fingernägel bekommen.«
Er grinste verlegen. »Nicht schlecht. Wer sich einen Cadillac leisten kann, hat auch genug Geld, um andere dafür zu bezahlen, die Karre in Schuss zu halten.«
»Ich hätt’s mir denken können, dass Sie einen Cadillac fahren.«
»Ich mag den Schlitten. Ich mag ihn sogar so sehr, dass ich keinen Mechaniker ranlasse. Deswegen mache ich anfallende Wartungsarbeiten und Reparaturen selbst. Und das sind übrigens keine manikürten Fingernägel.« Shell hielt seine Hand hoch und spreizte die Finger. »Die schneide ich mir schon seit Jahren selbst.«
Ich war überrascht und auch ein wenig beeindruckt. »Ich glaube, wir haben uns beide falsch eingeschätzt.«
»Da haben Sie recht. Und was sind so die Sachen, die Sie gerne machen, wenn ich fragen darf?«
»Wettkampfschießen. Ich bin der beste Schütze in meinem Bezirk.«
Shell zog eine Augenbraue hoch.
»Schütze? Warum nicht Schützin?«
»Bei der Polizei hier in Chicago muss man sich erst noch daran gewöhnen, dass jemand mit Titten schießen kann. Auf allen meinen Pokalen sind kleine goldene Männchen in Schussstellung.«
»Ich denke mal, dass das Ihren Kollegen ganz und gar nicht gefällt.«
»Tut es auch nicht«, sagte ich. »Deswegen mach ich’s ja auch.«
Shell erhob sich und streckte mir seine Hand entgegen. »Also dann, Officer Streng, sind Sie bereit, noch mehr von Ihren Kollegen neidisch zu machen, indem Sie diesen Verrückten schnappen, der meine Mädels umbringt?«
Ich nahm Shells Hand. »Nichts würde mir mehr Spaß machen als das.«
Heute
10. August 2010
Ich musste zwischendurch eine Pause einlegen und aufhören, das Seil an der Betonkante zu reiben. Das Salz, mit dem Mr. K das Seil präpariert hatte, zeigte allmählich seine Wirkung an meinen wundgeriebenen Handgelenken und die Schmerzen waren jenseits von Gut und Böse. Ich hätte trotz der Schmerzen weitermachen können, aber sie waren so schlimm, dass ich weinen musste, und zu den Tränen
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