Mr. K: Thriller (German Edition)
gesagt, ich soll nichts an Ihren Tisch bringen, weil Sie alle noch Auto fahren.«
Shell lächelte höflich und nahm die Rechnung an sich. Ich blickte mich nach Harry um, aber der war so schlau gewesen,rechtzeitig zu verschwinden. So sehr der Typ auch nervte – irgendwie hatte er einen ungehobelten Stil, der schon wieder lustig war.
»Dann bis morgen, Kollegin«, sagte Herb und erhob sich vom Tisch. Er gab mir die Hand und ich schüttelte sie freudig. Herb nickte Shell zum Abschied zu und verließ dann das Restaurant.
»Er ist ein netter Kerl«, sagte Shell und fuhr mit seinen Fingern über den Rand seines Bierglases.
»Sieht ganz so aus«, pflichtete ich ihm bei.
»Er hat einen Stoffwechsel wie ein Kolibri. Bevor wir ins Leichenschauhaus gegangen sind, hab ich gesehen, wie er drei Hotdogs mit allem Drum und Dran verputzt hat. Ich hab keine Ahnung, wo die hingegangen sind. Der Typ müsste eigentlich an die hundertfünfzig Kilo wiegen.«
Ich versuchte mir Herb, der dünn wie eine Bohnenstange war, mit einem solchen Körpergewicht vorzustellen. Unmöglich.
»Erzählen Sie mir doch mal«, sagte Shell und beugte sich dabei so vor, dass seine Finger die meinen erneut berührten, »was eine nette junge Frau wie Sie in einem solchen Beruf macht.«
Diese Frage hatte man mir schon öfter gestellt, aber nie auf diese Art. Die meisten Leute fragten sich, was mit mir nicht stimmte, dass ich Polizistin sein wollte. Aber als Shell mich fragte, hatte ich den Eindruck, dass meine Tätigkeit ihm imponierte.
»Meine Mutter war auch schon bei der Polizei«, sagte ich. Dabei beugte ich mich näher und ließ es zu, dass unsere Finger sich berührten. Es gefiel mir, dass Shell selbstbewusst genug war, um mit mir zu flirten, und ich fragte mich, wie weit erwohl gehen würde, falls ich ihn gewähren ließ. »Aber das war in den Sechzigerjahren. Damals konnten Frauen nicht aufsteigen und man hat uns nicht den nötigen Respekt gezeigt.«
»Ist es das, wonach Sie suchen? Beruflicher Aufstieg und Respekt?«
Ich antwortete, ohne zu zögern. »Ja.«
»Welchen Dienstrang möchten Sie denn erreichen?«
»Ich hab mir vorgenommen, spätestens mit vierzig Lieutenant zu sein.«
Shell strich mir mit dem Zeigefinger über den Handrücken. »Ich bin sicher, dass Sie das schaffen.«
Wahrscheinlich hätte ich zu diesem Zeitpunkt einen Rückzieher machen sollen. Aber Shell sah gut aus und sagte all die Dinge, die Frauen gerne hören. Ich fühlte mich verwegen und ein wenig draufgängerisch. Alan, mein sogenannter Freund, hatte mir am Tag zuvor nicht einmal telefonisch zum Geburtstag gratuliert. Das tat weh. Keiner von uns hatte bis jetzt zu dem anderen
Ich liebe dich
gesagt, und obwohl er einen Zweitschlüssel zu meiner Wohnung besaß, hatten wir noch nie darüber geredet, dass wir ausschließlich füreinander da waren. Wenn ich also irgendetwas mit Shell anfing, würde das nicht als Fremdgehen zählen.
Aber ich hatte nicht vor, etwas mit Shell anzufangen. Zumindest nicht an diesem Abend. Ich kannte den Typen erst seit zwei Stunden. Und obwohl ich mich für eine emanzipierte Frau hielt, bedeutete dies noch lange nicht, dass ich leichte Beute war.
»Und wie war das eigentlich bei Ihnen?«, fragte ich. »Wie sind Sie dazu gekommen, einen Escort-Service zu betreiben?«
Shell verzog den Mund zu einem leichten Grinsen. Er blickte von mir weg, so als suche er nach einer längst verblassten Erinnerung. »Ich hatte schon immer eine Vorliebe für die schöneren Dinge im Leben. Gutes Essen, erlesenen Wein, elegante Klamotten, teure Autos, Luxushotels.« Er blickte mir wieder direkt ins Gesicht. »Und schöne Frauen.«
Mit der Art, wie er das sagte, gab er mir das Gefühl, als gehörte ich ebenfalls zu den schöneren Dingen des Lebens.
»Vor ein paar Jahren war ich mit einer ganz tollen Frau zusammen«, fuhr er fort. »Sie war klug, kess und attraktiv. Sie arbeitete als Model, hatte aber zunehmende Schwierigkeiten, bezahlte Auftritte zu bekommen. Eines Tages erzählte sie mir, dass sie sich überlegte, ihren Lebensunterhalt als Escort-Girl zu verdienen, aber keine Ahnung hatte, wie man so etwas machte. Ich hab mich dann darum gekümmert. Für meine Hilfe gab sie mir zwanzig Prozent von ihren Einnahmen. Und dann hat sie mich gebeten, ein paar von ihren Freundinnen ins Geschäft zu bringen. So hat es angefangen.«
»Wann ist der erste Mord passiert?«
Shells Miene verdüsterte sich, und ich bereute es ein wenig, in meine Polizeiroutine gefallen zu
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