Mr. K: Thriller (German Edition)
der Täter war zweifellos unser Mr. K –, aber dann wollte ich ihn doch nicht ohne Unterstützung diesem Irren hinterherschicken.
»Behalte den Flur im Auge«, sagte ich und steckte die Waffe wieder in das Holster. Dann lockerte ich den Ballknebel im Mund des Opfers, weil er Luft durch das Loch in seinem Hals blies.
Sobald der Knebel aus seinem Mund heraus war, schrie er mit einer Stimme, die mir ein Leben lang Albträume bereiten würde:
»STERBEN! BITTE LASST MICH STERBEN!«
Aber ich konnte ihn nicht einfach sterben lassen, obwohl er es schließlich von selbst tat. Ich hielt meine Hand weiterhin auf die Wunde gedrückt und versuchte dabei, ihn weder anzusehen noch in Tränen auszubrechen. Ich brachte es nicht einmal fertig, beruhigend auf ihn einzureden, während das Leben gnädig aus seinem Körper wich.
Einundzwanzig Jahre vorher
16. August 1989
»Wir haben uns das so vorgestellt«, sagte Herb, »dass du diesmal bei deinen verdeckten Ermittlungen weiter gehst als je zuvor.« Das Bier, das vor ihm stand, rührte er nicht an.
Wir saßen in einer Kneipe an der Addison Street auf hohen, runden Barhockern um einen hohen, runden Tisch herum, sahen uns bei dem schlechten Licht mit zusammengekniffenen Augen an und versuchten gegen den Lärm anzureden, den die Sportübertragungen aus zehn Fernsehgeräten machten.
»Wir gehen davon aus, dass die Aktion mindestens zwei Wochen dauern wird«, fuhr Herb fort.
Harry prustete in sein mit Old Style gefülltes Glas und verspritzte Schaum über den ganzen Tisch. »Jackie soll sich also nicht nur als Escort-Girl tarnen, sondern es auch noch länger als einen oder zwei Tage durchziehen? Hör bloß auf damit.«
Ich warf Harry einen eisigen Blick zu und fragte mich dabei, was ich wohl in einem früheren Leben verbrochen hatte, dass ich einen Kerl wie ihn verdiente. Vielleicht war ich Josef Stalin oder irgendein anderer Massenmörder gewesen.
»Ich ermittle jetzt schon seit zwei Wochen verdeckt, McGlade. Ich weiß, was ich tue.«
»Du warst ‘ne Nutte auf dem Straßenstrich, Jackie. Alles, was man dafür braucht, ist ein Minirock. Escort-Girls dagegen sind Damen mit Niveau. Sie tragen tolle Klamotten und können sich gepflegt unterhalten. Und sie sehen gepflegt aus. Du trägst kein Make-up, und wenn du dich mal ausnahmsweise herausputzt, legst du dir den Lidschatten mit ‘ner Farbwalze auf und siehst aus wie Bibo aus der Sesamstraße. Und schau dir bloß mal deine Klamotten an. Hast du die billig in der Abteilung für Jungenkleidung bei Montgomery Wards gekauft?«
Ich hatte sie mir bei Sears besorgt, nicht bei Wards. Aber ich hatte keine Lust, auf seine blöden Sprüche einzugehen.
»Schluss jetzt«, sagte Herb. Er meinte Harry damit.
Harry zog die Augenbrauen hoch. »Wie bitte?«
»Wir wollen, dass Jacqueline diesen Job macht, nicht du. Ich hab bereits alles geklärt. Du kannst ja deinen Captain fragen, ob er was anderes für dich hat.«
Harry blinzelte zweimal hintereinander. »Aber Jackie ist meine Partnerin.«
»Sie war deine Partnerin. Bei diesem Fall arbeitet sie mit mirzusammen. Von mir aus kannst du hierbleiben und dein Bier zu Ende trinken, aber halt gefälligst dein Maul. Ich kann’s nicht mehr hören.«
Harry rutschte von seinem Barhocker hinunter und reckte sein Kinn vor. »Jetzt verstehe ich. Du bist schlecht gelaunt, weil deine Alte dich nicht ranlässt und weil du heute früh keine Zeit gehabt hast, dir unter der Dusche einen runterzuholen. Und jetzt spielst du deinen höheren Rang aus und geilst dich daran auf. Wenn das so ist, dann hab ich Besseres zu tun, als in dieser blöden Bar mit Deppen wie euch rumzusitzen.« Er nickte mir zu. »Gute Nacht, Jackie.«
Dann verließ er unseren Tisch und setzte sich an einen anderen daneben.
»Hat den jemand als Baby die Treppe runtergeschmissen?«, fragte mich Herb.
»Ich glaub eher, er ist einen Aufzugschacht hinuntergeworfen worden und drei Stunden lang gefallen.«
Herb lächelte mir zu, und in diesem Augenblick wusste ich, dass ich ihn mochte. So, wie man seinen älteren Bruder mag.
Shell, der uns bei unserem Umtrunk Gesellschaft leistete, war mir ebenfalls sympathisch, allerdings auf eine Art, die ganz und gar nichts mit Bruderliebe zu tun hatte. Alan, der Typ, mit dem ich gerade ging, war ein launischer Künstlertyp, dessen Macken zu meinen eigenen passten. Shell dagegen war elegant, selbstsicher und attraktiv – genau der Typ Mann, mit dem ich in meinen Studententagen gerne ausgegangen wäre, von
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