Mr. K: Thriller (German Edition)
der Stelle zu erkennen war, wo das Gras nur spärlich wuchs. Es hatte in der Nacht nicht geregnet, aber in den frühen Morgenstunden, bevor es hell wurde, war der Rasen vom Tau feucht gewesen.
Phin lief bis zu der Stelle, wo der Rasen endete. Dahinter erstreckte sich ein Wäldchen, das viele Verstecke bot, wo ein Eindringling Jack und ihren Freund beobachten und darauf warten konnte, bis die beiden einschliefen.
Er verschränkte die Arme vor der Brust. Obwohl es draußen warm war, durchfuhr ihn ein Kälteschauer. Dann ging er wieder ins Haus und nahm sich Jacks Computer vor. Zuerst checkte er ihre E-Mails und vergaß dabei auch den Papierkorb und den Spam-Ordner nicht. Als er dort nichts Ungewöhnliches fand, loggte er sich in Jacks Mobiltelefon-Konto ein und druckte eine Liste mit sämtlichen Anrufen der vergangenen Woche aus. Die meisten Nummern kannte er, ein paar aber auch nicht. Mithilfe eines umgekehrten Online-Telefonbuchs stieß Phin auf mehrere Restaurants, Shopping-Kanäle im Kabelfernsehen sowie zwei unbekannte Nummern, bei deren Ermittlung ihm entweder Herb oder Harry helfen konnte.
Dann öffnete er den Firefox-Browser und sah nach, welche Seiten Jack in letzter Zeit aufgerufen hatte. Netflix. Amazon. Textilhändler. Eine Seite von Planned Parenthood.
Phin klickte die Seite an und überflog sie. Es ging darin um Schwangerschaft bei Frauen über vierzig.
Er verließ den Computer, ging ins Bad und öffnete das Arzneischränkchen. Dort fand er Jacks Antibabypillen. In demPäckchen befanden sich noch zehn davon. Dann sah er im Abfallbehälter neben der Toilette nach.
Er fand darin eine leere Schachtel, die einmal Schwangerschaftsteststreifen enthalten hatte, und die Verpackung für einen der Streifen.
Phin wühlte tiefer in dem Behälter herum, aber der Teststreifen war nicht darin. Er ging in die Küche und sah im Mülleimer unter dem Spülbecken nach. Nichts.
Wo war das Ding nur? Und wo war Jack?
Einundzwanzig Jahre vorher
16. August 1989
»Armani macht also auch Damenbekleidung?«, fragte ich Shell, während ich den schwarzen Hosenanzug vor mich hielt und in den körpergroßen Spiegel neben der Umkleidekabine bei Lord & Taylor’s starrte.
»Man nennt so was einen Power Suit«, sagte Shell. Er stand so nahe hinter mir, dass ich seinen Atem auf meinem Hinterkopf spürte.
»Die Schulterpolster sind zu groß. Damit sehe ich ja aus wie ein Verteidiger beim Football.«
»Probieren Sie ihn an. Sie werden schon sehen.«
Immer noch skeptisch, nahm ich den Anzug und eine weißeBluse von jemandem namens Ralph Lauren und begab mich in die nächste Kabine. Zwei Minuten später lag der Anzug, den ich bei Sears von der Stange gekauft hatte, in einem Haufen auf dem Boden. Ich trat barfuß aus der Kabine heraus und stellte mich vor Shell und den Spiegel.
Mir war, als sähe ich eine fremde Person.
Die Hose war um die Taille so geschnitten, dass sie meine Rundungen betonte – sie war eindeutig für Frauen gemacht. Die Bluse schmiegte sich eng an meine Brüste, und mit den Schulterpolstern, die mir fragwürdig erschienen waren, wirkten meine Schultern breiter als je zuvor. Ich war erstaunt, wie weiblich und gleichzeitig professionell ich in diesem Outfit wirkte.
Und was noch viel besser war: Ich sah scharf aus. Nicht auf eine plump sexuelle Art, sondern wie eine selbstbewusste, reife Frau, die ihr Leben vollkommen unter Kontrolle hatte. Kein Wunder, dass man so ein Outfit
Power Suit
nannte.
»Probieren Sie die auch mal an.«
Shell kniete neben mir und reichte mir ein Paar schwarze Damenschuhe. »Das sind Givenchy. Sie haben Größe siebeneinhalb?«
Ich nickte und fragte mich, woher er das wusste. Shell hob behutsam meinen linken Fuß, streifte mir den Schuh über und wiederholte den Vorgang bei meinem anderen Fuß. Der Anzug wirkte zusammen mit diesen Schuhen sogar noch eleganter.
»Was meinen Sie?«, fragte er und blickte zu mir auf.
Ich drehte mich um und sah mir das Ganze von hinten an. Mir kam es vor, als hätte Armani diesen Anzug speziell für mich angefertigt. Er fühlte sich besser an als alles, was ich bisher getragen hatte.
»Wirklich erstaunlich«, sagte ich.
Shell stand auf, legte seine Hand auf meinen Nacken und griff nach der Haarspange, in der mein Pferdeschwanz steckte. Er befreite meine langen braunen Haare, und ich schüttelte sie und sah, wie sie mir über die Schultern fielen. Hatte ich vorhin wie eine professionelle Geschäftsfrau ausgesehen, so konnte ich mich jetzt in den
Weitere Kostenlose Bücher