Mr. K: Thriller (German Edition)
sah gut aus, hatte Köpfchen und strahlte eine fast raubtierhafte sexuelle Energie aus. Obwohl mir seine selbstbewusste Don-Juan-Aura gefiel und ich mir sicher war, dass er mich ebenfalls attraktiv fand, wollte ich die Arbeit an meinem ersten richtigen Fall nicht kompromittieren, indem ich mit einer der betroffenen Personen ins Bett ging.
Anstatt mit zu ihm nach Hause zu gehen, lud ich ihn zu mir ein.
Im Kofferraum seines Cadillacs hatte er eine von diesen teuren Spiegelreflexkameras mit allerlei dazugehörigem Schnickschnack. Während er in meinem Wohnzimmer damit beschäftigt war, unsere Foto-Session vorzubereiten, ging ich ins Bad und machte mich zurecht. Ich war zwar kein Make-up-Künstler,schaffte es aber trotzdem, genug Farbe auf mein Gesicht aufzutragen, dass ich weiblich wirkte. Dann fuhr ich mir mit einer Bürste durchs Haar und stylte es mithilfe von Haarspray auf, so gut es ging. Als ich mit meiner Aufmachung fertig war, hätte ich ohne Weiteres in ein Whitesnake-Video gepasst.
Dann entledigte ich mich meines Sears-Anzugs und schlüpfte in die Klamotten, die Shell für mich gekauft hatte. So aufgetakelt, wie ich jetzt war, erkannte ich mich im Spiegel kaum wieder. Die Person, die ich da erblickte, sah mir nicht besonders ähnlich. Sie war vielmehr ein Abbild dessen, was ich gerne sein wollte.
Ich sprühte mir das restliche Spray ins Haar. Das Aerosol verschlug mir fast den Atem. Dann verließ ich das Bad. Meine Wohnung war winzig, selbst für jemanden wie mich, der im öffentlichen Dienst arbeitete und nicht viel verdiente. Trat man aus dem Bad heraus, befand man sich sofort im Wohnzimmer. Shell hatte dort bereits ein provisorisches Fotostudio eingerichtet, komplett mit Dreipunkt-Beleuchtung. Vor meinem Fernseher stand eine weiße Leinwand mit roten und blauen Lichtern im Hintergrund.
»Wow«, sagte er, als ich auf ihn zuging.
Ich musste an meinen Freund Alan denken. Er reagierte nie so, wenn er mich sah.
»Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«, fragte ich. Ohne dass ich wusste, warum, empfand ich plötzlich ein leichtes Unbehagen.
»Whisky, wenn Sie so was haben.«
»Ich hasse Whisky«, sagte ich. »Geht Wodka auch?«
»Mit Eis.«
Ich ging in die Küche und öffnete den Wandschrank. Meine Hoffnung, dort zwei passende Gläser zu finden, wurde zunichte gemacht. Die einzigen Gläser, die zusammenpassten, hatten Bilder von Ronald McDonald. Ich gab Shell den einzigen Tumbler, den ich hatte, und goss mir meinen Wodka in ein Martiniglas. Dabei achtete ich darauf, dass Shell nicht sehen konnte, was für ein billiges Gesöff ich ihm servierte. Ich gab zwei Eiswürfel in sein Glas und ging zurück ins Wohnzimmer. Nachdem ich ihm den Drink gereicht hatte, wurde mir klar, warum ich so nervös war. Mit einem attraktiven Mann bei mir zu Hause kam ich mir wie bei einem Date vor. Wir waren sehr schnell an dem Punkt angelangt, wo wir uns prima miteinander verstanden. Etwas zu schnell.
Ich nippte kurz an meinem Wodka, stellte das Glas auf ein Bücherregal und legte die Hände auf meine Hüften.
»Okay«, sagte ich, »dann mal los.«
Shell leerte sein Glas in einem Zug. Falls er gemerkt hatte, dass es billiger Wodka war, ließ er es sich nicht anmerken. »Stellen Sie sich vor den Hintergrund«, wies er mich an.
Ich fühlte mich auf der Stelle wie damals in der High School, als wir uns zum Klassenfoto aufstellten. Ich hatte es immer gehasst, vor einem desinteressierten, ungeduldigen Fotografen zu stehen, der lieber woanders gewesen wäre, nervös darüber, dass ich blöd dreinschaute.
»Waren Sie schon mal bei einem Shooting dabei?«, fragte Shell.
»Ja, aber die Kugeln haben mich nicht getroffen«, sagte ich, bevor ich kapierte, dass er ein Foto-Shooting gemeint hatte undkeine Schießerei. Wir mussten beide lachen, und dann machte die Kamera
klick, klick, klick
.
»Wenn Sie wollen, dass die Aufnahmen gut werden, müssen Sie so tun, als ob die Kamera ein Mensch ist, den Sie mögen. Stellen Sie sich dabei vor, Sie wollen dieser Person zeigen, wie sehr Sie sie mögen, wie interessiert Sie an ihr sind. Und dann stellen Sie sich vor, wie Sie mit den Augen des anderen gesehen werden möchten. Sagen Sie einfach mal der Kamera mit Ihren Augen
Hallo
.«
Was er da sagte, klang völlig bescheuert, aber ich probierte es einfach mal. Shell knipste ein paar Bilder, und dann bat er mich, einen Schmollmund zu machen, so als wäre die Kamera ein Kerl, der mir eine Abfuhr erteilte. Ich schob die Unterlippe ein wenig
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