Mr. K: Thriller (German Edition)
erwies FedEx sich als äußerst hilfsbereit. Sobald die Paketverfolgungsnummer im System war – wahrscheinlich innerhalb der nächsten halben Stunde – würde die nächstgelegene Filiale die Sendung ausfindig machen und warten, bis ich vorbeikam und sie mir ansah. Und das alles ohne Gerichtsbeschluss und unnötigenStress. Anscheinend war es bei FedEx üblich, dass man dort Sendungen, die einen verdächtigen Eindruck machten, nach eigenem Ermessen einer näheren Prüfung unterzog. Ein Anruf von einem Polizisten reichte dafür aus.
Herb und ich saßen also bei laufendem Motor im Auto, während ich alle paar Minuten die FedEx-Website aktualisierte und darauf wartete, dass die Paketverfolgungsnummer im System war. Als sie endlich auftauchte, rief ich die Nummer an, die man mir gegeben hatte, und wurde direkt mit dem Fahrer verbunden.
»Ich hab’s bei mir, Officer.« Seinem nasalen Akzent nach zu urteilen kam er aus der South Side. »Eine kleine Schachtel, wiegt ungefähr ein Kilo. Ist da was Gefährliches drin?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete ich wahrheitsgemäß. Laut den Angaben auf der Website sollte die Sendung am nächsten Tag zu einer Adresse hier in Chicago gebracht werden. Wenn es wirklich eine Bombe war, würde sie wahrscheinlich erst hochgehen, nachdem sie am Zielort angelangt war. »Riecht es komisch? Läuft irgendwas raus?«
»Frag ihn, ob es tickt«, sagte Herb. Ich brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
»Sieht wie ein ganz normales Päckchen aus. Wenn Sie sich’s selbst angucken wollen, ich bin in der Division Street, auf dem Dominick’s-Parkplatz.«
»Wir sind in fünf Minuten bei Ihnen«, sagte ich. »Sie warten am besten draußen, ein paar Meter von Ihrem Wagen weg. An wen geht die Sendung?«
»Muss wohl ein falscher Name sein«, sagte der Fahrer. »Das gibt’s doch nicht, dass jemand wirklich
Jack Daniels
heißt.«
Heute
10. August 2010
»Oh … Mann.«
»Was ist los, Harry?« Phin starrte Harry im Rückspiegel an. Der telefonierte gerade mit dem Direktor der Strafvollzugsanstalt Stateville. Auf Harrys Drängen und ein paar Anrufe von Herbs Vorgesetzten hin hatte man Victor Brotsky in den Einzelhaftbereich verlegt und seine Zelle durchsucht.
»Brotsky hatte ein iPhone in seiner Matratze versteckt«, sagte Harry. Sein Gesicht war aschfahl. »Da ist ein Bild von einer Live-Webcam drauf. Eine gefesselte Frau in einem kleinen Zimmer.«
Phin hielt das Lenkrad so fest verkrampft, dass seine Unterarme zitterten. »Ist es Jack?«
»Eine Dunkelhaarige über vierzig. Sie ist an allen vieren gefesselt und hat ‘nen Knebel im Mund. Könnte Jack sein.«
»Lebt sie noch?«, fragte Phin. Es kostete ihn Mühe, ruhig und gleichmäßig zu sprechen.
Harry starrte mit offenem Mund zurück. »Ja. Aber neben ihr ist ‘ne Digitaluhr und auf der läuft … ein Countdown.«
»Wie lange noch?«, fragte Herb leise.
»Weniger als dreißig Minuten.«
Phin gab Gas. Sie fuhren auf der Joliet Road. Bis zum Gefängnis waren es noch knapp dreizehn Kilometer.
»Vielleicht ist sie’s ja nicht«, sagte Harry.
Phin hoffte, dass Harry recht hatte. Aber er machte sich nichts vor. Es wäre nicht das erste Mal, dass Jack von einem Fallaus ihrer Vergangenheit heimgesucht wurde. Die Vorstellung, dass ein Psychopath sie in seiner Gewalt hatte und vor laufender Kamera töten würde, nur um seinen Spaß zu haben, verursachte Phin schlimmere Magenschmerzen, als er während seiner einjährigen Chemotherapie gehabt hatte. Andererseits war es immer noch besser zu wissen, wo Jack war, anstatt völlig im Dunkeln zu tappen. Wenn man den Gegner kennt, kann man ihn auch bekämpfen.
»Dieser Victor Brotsky«, sagte Phin zu Herb. »Wie schlimm war der denn?«
»Der Schlimmste von allen. Wenn der wirklich Jack in seiner Gewalt hat …« Herbs Stimme wurde brüchig.
Aber Victor Brotsky konnte Jack gar nicht in seiner Gewalt haben. Er saß ja hinter Gittern.
Aber vielleicht wusste er,
wer
Jack gefangen hielt.
Und wenn er es wusste, dann konnte nichts und niemand auf der Welt Victor Brotsky vor Phineas Troutt schützen.
Einundzwanzig Jahre vorher
17. August 1989
Nachdem ich die restlichen Mädchen kennengelernt hatte, wusch ich mir die Hände, um die wild wuchernden Neurosen loszuwerden, die in Shells Agentur in der Luft hingen wieRauchschwaden. Dann machte ich mich zu meinem ersten offiziellen Date mit Felix Sarcotti auf.
Mr. Sarcotti sah aus, als wäre er noch vor Gott auf die Welt gekommen. Sein Rücken
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