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Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Nadzam
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weiß ich.«
    Nachts waren sie beide wach, das Mädchen hatte Fieber, ihrGesicht brannte, und Lamb füllte ihren Blechbecher mit Wasser und hielt ihren Kopf und flößte es ihr zusammen mit zerbröseltem Aspirin ein. Er half ihr auf und machte die kleine metallene Tür auf, damit sie draußen ins Unkraut pinkeln konnte. Sie schliefen nicht, als sie innerlich brannte und die Sachen ihr auf der Haut kratzten und ihre Knochen kalt waren, und dann waren ihre Knochen heiß, und das Atmen tat weh.
    »Eine Sonnenbrille«, sagte er. »Ich hätte dir eine Sonnenbrille kaufen sollen.«
    Er legte seine Hand an den Bund ihrer Jeans, sein Kopf war voll mit Feuer. Die dunklen Stunden des frühen Tages. Keine Grillen, keine Kojoten, kein Geräusch außer ihrem Atem, außer ihrem Flüstern, als wollten sie selbst hier nicht belauscht werden.
    »Ist es schlimmer oder besser?«
    »Besser.«
    »Wollen wir die Wolldecke zurückschlagen?«
    »Ja, bitte.«
    Er stieg aus dem Bett und rollte die Decken bis zum Metallrahmen am Ende des Bettes zurück.
    »Wann hat dich das letzte Mal jemand so gehalten? Oder im Bett neben dir gelegen?«
    »An dem Tag damals.«
    »An welchem Tag?«
    »Als du mich in deinen Wagen geworfen hast.«
    »Habe ich dich geworfen?«
    »Ich habe mir den Kopf gestoßen.«
    »Das tut mir leid, Em. Verzeihst du mir?«
    »Ich verzeihe dir.«
    »Und wer hat dich so gehalten?«
    »Meine Mom. Als sie von der Arbeit nach Hause kam.«
    »Erzähl mir, wie das war.«
    »Ich war schon im Bett.«
    »Wie viel Uhr war es?«
    Schulterzucken.
    »Nein, Em. Du musst mir genau erzählen, wie es war.« Er schob sie an der Schulter von sich weg, damit er sie ansehen konnte. »Sieh mich an und erzähl mir die Geschichte.«
    »Es war sechs Uhr, so ungefähr.«
    »Draußen war es noch hell?«
    »Ja.«
    »Du warst unglücklich. Ich war der Grund. Sag es. Sag: Ich war deinetwegen unglücklich, Gary.«
    »Das stimmt.«
    »Das ist gut, dass du mir das sagst. Erzähl weiter. Deine Mom hat sich Sorgen um dich gemacht? Dachte sie, du wärst krank?«
    »Ja, vielleicht.«
    »Was hat sie gesagt?«
    »Sie hat mich gefragt, ob ich mich krank fühle, und ich habe gesagt, ein bisschen, ja.«
    »Und sie hat sich zu dir aufs Bett gesetzt?«
    »Sie hat uns etwas zu essen ans Bett gebracht.«
    »Was zu essen?«
    »Milch und Erdbeeren mit Toast.«
    »Das ist etwas Gutes.«
    »Ich weiß.«
    »Und sie hat dir die Milch und die Erdbeeren gegeben und ist dann wieder zu Jesse gegangen?«
    »Sie ist bei mir geblieben.«
    »Nur eine Weile?«
    »Die ganze Nacht.«
    »Was hat Jessie gemacht?«
    »Ferngesehen, wahrscheinlich.«
    »Hast du im Bett geweint?«
    »Ja.«
    »Weil ich dir Angst gemacht hatte?«
    »Und wegen meiner Freundinnen. Sie sind nicht ans Telefon gegangen, als ich sie angerufen habe. Ihre Mütter haben gesagt, sie sind nicht zu Hause. Aber ich wusste, dass sie zu Hause waren.«
    »Du warst ganz durcheinander.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Aber am nächsten Tag hast du mich gesucht?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Weiß ich auch nicht.«
    »Ich dachte, bei euch sei es nicht so gut gewesen.«
    »Manchmal schon.«
    * * *
    Stellen wir uns die Schwärze der Morgendämmerung vor. Das Gesprenkel der Sterne am Himmel. Alison Foster, armer alter Kerl, der sich auf dem Feldweg zu dem alten Calhoun-Haus schleppte, die rote Laterne in der Hand, der graue Kopf, der hin und her wackelte, die Augen, unglaublich klein und hart und nach vorne gerichtet, als könnte er David Lamb und das Kind im Dunkeln sehen. Als wüsste er Bescheid. Als würde er sie ertappen. Als wüsste Lamb nicht, dass Foster draußen herumschlich und durch die Fenster ins Innere der Hütte zu sehen versuchte. Was er wohl dachte?
    Foster hat nicht begriffen, dass es dem Mädchen – seinem, Lambs Mädchen – sehr gut geht, nachdem Lamb es in seinem Wagen an diesen Ort abseits der asphaltierten Straßen gebracht hat, einen Ort, der hell und klar und trocken ist, und weit entferntvon dem feuchten Klima des Mittleren Westens mit seinen endlosen Feldern für Schweinefutter und dem gepflügten Ackerland. Foster hat nicht begriffen, dass es eine Gunst ist, ein Geschenk, sozusagen, das Mädchen aus der traurigen Region der »Prärie Restauration«, wo es nach Rieselfeldern und Stärke-Fabriken riecht, herauszuholen. Dass das Mädchen auf dem Beifahrersitz gesessen hat, die Augen halb geschlossen und auf Lamb gerichtet, als gäbe es auf der ganzen Erde keinen Menschen, der feiner, weiser, wohlwollender wäre als

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