Mr. Lamb
und links an seine Rippen gepresst, ihr Ohr lag an seinem Herzen, wie ein kleiner nasser Laubfrosch drückte sie sich an ihn, um warm zu werden, und sie fragte ihn, wie er gewesen sei, als er ein kleiner Junge war und dann so alt wie sie jetzt, und er sagte, sie solle still sein und die Augen schließen.
Stell dir vor, überall ist blasses Grün, schwankend und voll summender Bienen, und um dich herum die Musik von Schwalben und Spatzen und Haubenwürgern. Und mittendrin ist unser Lamb, ein Junge mit wachen Augen, in gebügelten Levis und mit sauberem kurzem Haar, der einzige der vier Jungen, dem die Mutter am Morgen, bevor er aus dem Haus ging, einen Kuss gegeben hat. In seiner Tasche sind die zwei Dimes, die sieihm gegeben hat, ihm allein, und die er zu seiner Sammlung von Dimes legen wird, und bei Bonn Druggs wird er schwarze Sahnekaramellbonbons und Long Boys, Kokosstangen mit Schokoladenguss und Atomic Fire Balls, scharfe Bonbons mit Zimtgeschmack, stehlen und alles großherzig mit seinen Freunden teilen. Aber jetzt streunt er durch das hohe Gras und streift mit flachen Händen über die fedrigen und nadelartigen Spitzen und malt sich aus, was er kaufen wird, wenn er hundert Dollar zusammenhat. Und die Antwort kann nur lauten, was immer er will. Was für ein Wohlgefühl, auf der Welt und der größte Junge zu sein, der mit den breitesten Schultern und einer Sammlung Dimes im Schrank und mit so vielen Süßigkeiten, wie er sich in die Taschen stopfen kann, und das jeden Tag.
Irgendwo hinter ihm lachen die anderen Jungen, ein Dutzend Jungen, die in den Aschenbelag der Straße ein Baseballmal zeichnen. Sie haben einen Ball aus Kork. Und nur ein Schlagholz. Er könnte mitspielen, aber dann hätte kein anderer die Chance, den besten Schlag zu machen, oder den besten Wurf oder den besten Fang, und er rupft die Blüten des Möhrenkrauts aus, weil sie wie die dummen Spitzendeckchen aussehen, die seine Mutter häkelt, wenn sie hinter geschlossener Tür allein in ihrem Zimmer sitzt. Er rupft sie beim Gehen aus, jede einzelne weiße, spitzenzarte Blüte, zerdrückt sie mit der Faust und wirft sie über das blöde, dumme Gras, weil noch ein Spitzendeckchen das allerletzte ist, was er in der Welt braucht.
Jenseits der Wiese das Rumpeln und Scheppern eines Zugs auf den Schienen. In seiner hinteren Hosentasche steckt eine ausgerissene Seite aus einem Superman-Comic, der nicht ihm gehörte, aber ihm hätte gehören sollen, und ein Taschenmesser seines Vaters, das er eigentlich nicht anfassen darf und das schon einmal der Grund war, warum er mit dem Gürtel vertrimmt worden ist, denn er hatte damit seinen Namen in dasZedernholz der Kaminumrandung geritzt. Auf dem ausgerissenen Comic-Blatt fliegt Superman in gewagtem Sturzflug über einen Zug, und alle Frauen gucken aus den Fenstern zu ihm hinauf, nur die Männer lesen einfach weiter ihre Zeitungen – sie merken gar nicht, was los ist –, und auf dem Zug steht der Name TRIUMPH in goldenen Buchstaben, und Superman fliegt in Achten darüber und kann den ganzen Zug von den Gleisen über seinen Kopf heben, was er auf dem Bild, das David gestohlen hat, nicht tut, aber David weiß, dass er es könnte, er weiß es.
Vor Moms Autounfall kommt Glenn jeden Morgen von nebenan und klopft an die Küchentür und ruft singend: Olé Davy! Olé Davy! Lambs Vater flucht, und Glenn sagt: Guten Morgen, Mr. Lamb, und David darf erst raus, wenn er mit dem Frühstück fertig ist. Binnen zehn Minuten versammelt sich draußen vor der Tür ein ganzer Jungenchor und stimmt mit Glenn ein, alle rufen seinen Namen, alle warten auf Davy, damit ihr Tag beginnen kann, und seine Mutter schickt ihn raus und sagt: Geh schon, Davy, schenk ihnen den Tag – ein kleines Lied, das sie jeden Sommermorgen singt. Und sie gibt ihm einen von den in Papier eingewickelten Rosinenkeksen, die sie nur für sich in einer Dose über dem Herd aufhebt, und küsst ihn auf den Kopf, auf sein glänzendes Haar. Henry und Mark stehen nicht vom Tisch auf, weil draußen niemand ist, der sie sehen will. Die anderen will niemand sehen, nur Davy wollen sie sehen.
Aber jeden Morgen vor dem Autounfall seiner Mutter läuft Davids kleinster Bruder hinter ihm her und ruft: Davy, Davy, warte. Davy, warte. Er ruft laut. Er rennt und stolpert und fällt hin, jeden Morgen eine einzige Peinlichkeit. Mal bricht ein Stückchen von einem Zahn ab, mal schürft er sich das Gesicht auf, überall Blut, Rotz und Geheul: Warte, Davy, warte. Aber er
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