Mr Monk besucht Hawaii
über sein Leben, was ihn letztlich seine Dienstmarke kostete. Die war ihm fast genauso wichtig gewesen wie seine geliebte Frau – und eine zusätzliche seelische Stütze.
Ich leide nicht unter Zwangsneurosen, aber ich weiß, was es heißt, den geliebten Partner zu verlieren. Es zerreißt einen auf eine Art, die man sich nicht vorstellen kann. Meine Rettung war, dass ich nach Mitchs Tod noch meine Tochter Julie hatte. Ich konzentrierte mich ganz auf die Tatsache, dass ich für sie der einzig verbliebene Elternteil war. Dieses Wissen gab mir die Kraft, gegen die Trauer anzukämpfen, die mich unter sich hatte begraben wollen.
Was Monk betrifft, gab es zwei Personen, die ihn retteten: Stottlemeyer, der dafür sorgte, dass er in beratender Funktion weiter für die Polizei arbeiten konnte. Und Dr. Kroger, auf dessen Drängen Monk eine Krankenschwester in Vollzeit einstellte, die ihm helfen sollte, sich wieder im Alltag zurechtzufinden.
Nach ein paar Jahren ließ diese Krankenschwester ihn dann aber von einem Tag auf den anderen im Stich und zog nach New Jersey, weil sie ihren Exmann zum zweiten Mal heiraten wollte. Zu dem Zeitpunkt hatte Monk sich bereits so weit erholt, dass er zwar keine Krankenschwester mehr benötigte, aber ganz ohne Hilfe auch noch nicht zurechtkam.
Das war der Moment, als er mich kennenlernte. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Ich tat für ihn nichts, was ein anderer Mensch mit viel Geduld nicht auch hätte tun können. Oder was Monk nicht auch selbst hätte erledigen können, wenn er sich nur einen Ruck gegeben hätte.
Meiner Meinung nach brauchte Monk eigentlich längst keine Assistentin mehr. Es gefiel ihm nur, jemanden um sich zu haben, mit dem er reden konnte und der für ihn die kleinen Dinge erledigte, die ihn nur davon ablenkten, Mordfälle aufzuklären.
Brachte ich also sein Leben wirklich so in Unordnung, nur weil ich eine Woche lang wegging?
Nein , sagte ich mir, natürlich nicht. Er ist ja schließlich nicht allein auf der Welt. Er hat Dr. Kroger und Captain Stottlemeyer – und die Vertretung von der Zeitarbeitsagentur.
Das war mehr als genug.
Zumindest hoffte ich das.
Außerdem hoffte ich, meine Schuldgefühle lange genug zurückhalten zu können, damit ich meinen Urlaub genießen konnte.
3. Mr Monk und die Tablette
Um meinen Acht-Uhr-Flug nach Honolulu rechtzeitig zu bekommen, musste ich um fünf Uhr in der Früh das Haus verlassen. Ich fuhr zum Flughafen, stellte meinen Wagen im Parkhaus ab und ließ mich mit dem Shuttle zum Terminal bringen. Dort stellte ich mich zum Einchecken in eine Schlange, danach in eine andere bei der Sicherheitskontrolle, und hatte noch zwanzig Minuten Zeit, ehe wir an Bord der Maschine gehen konnten.
An Adrian Monk verschwendete ich keinen Gedanken, als ich mich für den fünfstündigen Flug auf dem schmalen Sitz in der Economy-Klasse niederließ.
Die Flugbegleiterinnen waren allesamt Hawaiianerinnen oder Polynesierinnen, sie trugen Hawaiishirts mit Blumenmuster und dazu rote Hibiskusblüten im Haar.
Auf den TV-Monitoren der Maschine lief ein Video, das Palmen, Wasserfälle und scheinbar unberührte hawaiianische Strände zeigte und mit sanfter, typisch hawaiianischer Musik unterlegt war.
Ich schloss mit einem Seufzer die Augen. Die Maschine stand zwar immer noch auf dem Rollfeld des Los Angeles International Airport , aber schon jetzt war ich geistig und gefühlsmäßig so entspannt wie seit Wochen nicht mehr. Die Geräuschkulisse und das Murmeln der Passagiere, die ihre Plätze einnahmen, die kreischenden Babys, das Brummen der Motoren und sogar die umschmeichelnde hawaiianische Musik rückten immer weiter in den Hintergrund.
Ehe ich mich versah, war ich eingeschlafen.
Es kam mir vor, als seien nur ein paar Sekunden vergangen, als mich auf einmal eine Flugbegleiterin weckte und fragte, ob sie mir Frühstück bringen könne.
»Sie haben die Wahl zwischen Omelett mit Käse und Pilzen, Pfannkuchen mit Macadamia-Nüssen und einem Obstteller«, sagte sie und zog die Tabletts aus ihrem Wagen.
Ich fand, dass alles irgendwie eklig aussah. Sogar das Obst wirkte, als hätte man es in Fett getunkt.
»Nein, danke«, erwiderte ich, sah auf die Uhr und stellte zu meinem Erstaunen fest, dass bereits eine Dreiviertelstunde vergangen war und ich den Start verschlafen hatte.
»Wenn sie es nicht nimmt, dann nehme ich es«, hörte ich einen Mann sagen. Ich glaubte die Stimme zu erkennen, konnte mich natürlich aber auch irren. War er
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