Mr Monk besucht Hawaii
und ich hatte eine wunderbare Aussicht auf Waikiki und Diamond Head. Die Farben waren so kräftig, die Berge so üppig mit Bäumen bewachsen und das Meer so tiefblau, dass alles irgendwie unwirklich erschien. Vielleicht lag es auch daran, dass ich alles durch ein winziges Fenster betrachtete, das mich allzu sehr an einen Fernsehbildschirm erinnerte.
Das Fernsehen war ohnehin mein einziger Bezugspunkt zu Hawaii. Als ich die Küste von Waikiki sah, musste ich automatisch an den Vorspann von Hawaii 5-0 denken, wenn die Kamera vom Wasser zum Hochhausdach schwenkt, auf dem Jack Lord in seinem dunkelblauen Anzug steht und eine grimmige Miene macht.
Und natürlich musste ich in diesem Moment wieder an Monks grausam improvisierten Text zur Titelmelodie denken.
Als wir das Flugzeug verließen, begrüßte uns eine Hostess der Fluglinie, die jedem von uns einen duftenden Blumenkranz, einen sogenannten Lei, um den Hals legte und uns auf den Inseln willkommen hieß.
Zu meiner Verwunderung wehrte Monk sich weder gegen den Lei noch gegen den Kuss, den ihm die Hostess auf die Wange gab. Ich war froh, dass er mich nicht um eines seiner Tücher bat, denn die hatte ich natürlich nicht mitgenommen.
In Honolulu mussten wir eine Stunde warten, ehe wir den fünfundvierzig Minuten dauernden Weiterflug nach Kauai antreten konnten. Der Flughafen war so schön, dass ich dort auch gerne etwas länger geblieben wäre. Das Hauptterminal war ein riesiger offener Patio, der rund um einen japanischen Garten und einen Koi-Teich mit riesengroßen Karpfen verlief. Um alles herum wehte ein milder Wind und verlieh dem Ganzen die Atmosphäre eines wunderschönen Resorthotels.
Mit einem Wiki-Wiki-Pendelbus wurden wir zu einem anderen Terminal gebracht, wo der Anschlussflug auf uns wartete. Zum Glück war die Strecke nicht allzu weit, da Monk unentwegt »Wiki-Wiki« sagte und dann kicherte.
Kaum waren wir dort angekommen, ließ ich Monk am Terminal allein, indem ich ihm erklärte, ich müsse zur Toilette gehen. Das stimmte zwar, aber ich wollte die Gelegenheit auch für ein persönliches Telefonat nutzen.
Ich erreichte Dr. Kroger auf seinem Mobiltelefon und berichtete ihm, was geschehen war.
»Unglaublich«, sagte er. Er klang tatsächlich erstaunt, aber nicht im Geringsten entsetzt. Offenbar sah er die Situation nicht aus der gleichen Perspektive wie ich.
»So kann man es auch ausdrücken«, gab ich zurück.
»Es enttäuscht mich, dass er nicht seine Angst vor dem Alleinsein überwinden konnte. Andererseits bedeutet das einen bemerkenswert Schritt nach vorn. So impulsiv zu handeln und ohne detaillierte Planung eine Reise anzutreten, ist ein gewaltiger Fortschritt.«
»Er ist nicht er selbst«, wandte ich ein.
»Jeder verändert sich, Mrs Teeger. Jeden Tag entwickeln wir uns zu einer neuen Version unseres vorherigen Selbst. Fesseln Sie ihn nicht an Ihre Vorstellung davon, wie er sein sollte.«
Einen solchen Quatsch hatte ich noch nie zu hören bekommen. »Sie verstehen nicht, Dr. Kroger. Monk hat sich nicht weiterentwickelt, er steht unter Drogen.«
»Was für Drogen?«
»Irgendetwas, was Sie ihm für seine Neurosen gegeben haben.«
»Dioxynl«, erwiderte Kroger. »Das habe ich ihm vor längerer Zeit verschrieben, als er einen ziemlichen Tiefpunkt hatte. Mich überrascht, dass er das Medikament danach wieder genommen hat. Er meinte, er würde das nie wieder tun.«
»Was glauben Sie, warum er das gesagt hat?«, wollte ich wissen. »Gibt es Nebenwirkungen?«
»In ganz geringem Maß. Bei ihm allerdings war das etwas anders. Das Medikament unterdrückt einige Aspekte seiner Persönlichkeit, die ihm wichtiger sind als die Linderung seiner Ängste und Neurosen.«
»Sie meinen etwa in der Art, dass er die Selbstbeherrschung und jeglichen gesunden Menschenverstand verliert?«
»Das Mittel nimmt ihm seine außerordentlichen detektivischen Fähigkeiten, aus denen er seine Identität ableitet«, erklärte Kroger. »Mit anderen Worten, Mrs Teeger: Wenn er das Medikament einnimmt, wird er zu einem miserablen Detektiv.«
Kein Wunder, dass ich ihn nie zuvor unter dem Einfluss dieses Mittels erlebt hatte, auch wenn seine Neurosen noch so schlimm waren.
»Wie lange dauert es, bis die Wirkung nachlässt?«
»Ungefähr zwölf Stunden«, antwortete Kroger. »Abhängig von der Dosierung.«
Ich sah auf meine Uhr. Angenommen, Monk hatte die Tablette kurz vor dem Abflug geschluckt, dann musste ich ihn noch gut sechs Stunden in diesem Zustand ertragen. Und
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