Mr. Peregrines Geheimnis: Roman (German Edition)
eine Weile, beinahe so lange, wie er im Büro gesessen hatte, fiel ihm kein guter Grund ein, weshalb er das nicht tun sollte.
Aber Rich und Alexandra hatten recht gehabt. Es war etwas Seltsames an dieser Schule, und Darwen musste den Grund dafür herausfinden. Kräfte aus Silbrica waren zumindest schon einmal an diesem Ort eingedrungen, damals, als er noch Raven’s Watch hieß, und Menschen waren dabei zu Tode gekommen. Was auch immer Mr. Peregrine sagen mochte, es war offensichtlich, dass in Mottes Welt schreckliche Dinge geschahen, und als er sich daran erinnerte, was sie über Menschenkinder gesagt hatte, die plötzlich »begehrt« waren, da fragte er sich, ob diese schrecklichen Dinge noch einmal in seine Welt gelangen könnten. Er musste mehr herausfinden, und um das zu tun, musste er an der Hillside bleiben, zumindest noch für eine Weile.
Darwen kehrte in die Klasse zurück. Fast alle ignorier ten ihn, nur Mad zeigte ihm den erhobenen Daumen. Rich und Alexandra waren auf getrennte Plätze gesetzt worden, und während des Kunstunterrichts nahm keiner von ihnen Augenkontakt zu Darwen auf. Darwen malte etwas, das sehr an einen Flitterfalk erinnerte, ohne wirklich darüber nachzudenken. Zwischendurch blickte er immer wieder zu Rich hinüber, in der Hoffnung, an irgendeinem Zeichen zu erkennen, dass sie noch Freunde waren, aber Rich sah nicht auf. Für Darwen war das beinahe so deprimierend wie das bevorstehende Nachsitzen und das Gespräch, das ihm anschließend sicherlich mit seiner Tante bevorstand.
Nebenbei erfüllte es ihn mit beinahe wilder Genugtuung, dass er wegen des Nachsitzens daran gehindert wurde, den Spiegel vor Einbruch der Nacht zurückzubringen. Er war fürchterlich wütend auf den Ladenbesitzer, der ihn erst beinahe in den Tod geschickt hatte und dann so tat, als wüsste er nichts davon. Unter seiner Wut schlummerte zwar irgendwo ein Hauch des Zweifels – die Frage, ob hinter Mr. Peregrines Lüge nicht noch etwas anderes stecken mochte, aber Darwen hatte nicht die Geduld, darüber nachzudenken. Er gab seinem Flitterfalk einen besonders gemeinen Gesichtsausdruck und zeichnete dann noch einige Leute, die vor ihm flohen. Eine Figur hätte Mr. Peregrine darstellen können, eine den Direktor, eine Sumners … Kurz überlegte er, auch noch Rich zu malen, aber er beschloss, damit noch ein wenig zu warten.
In der letzten Stunde, als Darwen gerade seinen Federhalter mit Tinte befüllte, erschien ein Junge aus der achten Klasse. Er gab Miss Harvey einen Zettel, den sie sofort Darwen weiterreichte.
Darwen las zweimal, was darauf stand.
»Wieso muss ich zu Miss Murray ins Büro?«, fragte er. Der Gedanke an die strenge Weltkundelehrerin, die Darwen für ein bisschen langsam hielt, war ihm nicht gerade angenehm.
»Wegen des Nachsitzens«, sagte Miss Harvey mit deutlichem »Geschieht-dir-recht«-Ton. »Ich nehme an, dass du dabei helfen sollst, ein Projekt für den Unterricht vorzubereiten. Deine Tante weiß bereits Bescheid.«
Na toll, dachte Darwen.
Miss Murray war Furcht einflößend und schnauzte die Schüler schnell an, wenn sie glaubte, dass sie nicht richtig zuhörten, nicht richtig nachdachten, nicht richtig gingen oder saßen. Rich nannte sie Miss Muräne, nach dem aalartigen Fisch mit den Knopfaugen und den fiesen Zähnen. Darwen grinste schicksalsergeben, dann fiel ihm wieder ein, dass Rich vielleicht nicht mehr sein Freund war, und er ließ es wieder sein.
Miss Murray wartete bereits auf ihn. Sie war eine kräftige, herrische Frau, deren Augen oft einen harten Ausdruck hatten. Ihr glattes Haar war streng nach hinten frisiert, sodass es wie ein Helm wirkte, und sie trug stets Kostüme aus steifen, hellen Stoffen, wie sie zum Beziehen von Möbeln verwendet wurden, mit großen Goldknöpfen und passenden Schuhen. Sie hatte eine Brille mit Schildpattfassung – die Schildkröte dazu, so hatte Rich vermutet, hatte sie garantiert selbst erledigt – und schweren Goldschmuck mit münzgroßen Diamanten. Sie lächelte oft, aber es schien nie echt. Das, vermutete Darwen, würde sich gleich sicherlich auch nicht ändern.
»Guten Tag, mein Kind«, sagte Miss Murray. »Bereit zur Arbeit?«
»Ja, Miss.«
»Darwen Arkwright«, sagte sie. »Ihr Einstand hier an der Hillside war nicht gerade der beste.«
»Das sagen alle, Miss«, sagte Darwen.
»Sie werden mich mit Ma’am ansprechen«, verlangte Miss Murray.
»In Ordnung, Miss«, sagte Darwen. »Ich meine, Ma’am. ’tschuldigung, Miss.
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