Mr. Peregrines Geheimnis: Roman (German Edition)
Stäbchen hin und berührte sanft seine tintenfleckige Hand. Kurz sah es aus, als hätte sie Tränen in den Augen.
»Wenn ich dir irgendwie helfen kann, Darwen«, sagte sie, »wenn du etwas brauchst …« Sie zögerte.
Darwen seufzte. »Kann ich bitte eine Gabel haben?«
Bevor er an diesem Abend ins Bett ging, wollte Darwen noch einen Blick in den Spiegel werfen. Er war sich nicht sicher, was er nach seinem Treffen mit Mr. Peregrine erwarten sollte. Vielleicht war es jetzt nur noch ein ganz normaler Spiegel, und der Ladenbesitzer hatte seine Zauberkräfte aus Zorn über seinen Mangel an Verschwiegenheit irgendwie außer Kraft gesetzt. Denn so hatte Darwen Mr. Peregrines seltsame Lüge inzwischen für sich gedeutet: Er hatte eine Regel verletzt, in dem er anderen vom Spiegel erzählt hatte, und daher würde er nun von der Welt auf der anderen Seite ausgeschlossen werden.
Aber diese Gedanken waren sofort wie weggeblasen, als er die Schranktür öffnete und in den Spiegel sah. Er funktionierte noch! Vor ihm lag der Wald von Silbrica, und Kiefernnadelduft wehte in sein Zimmer. Aber es war dennoch nicht mehr so wie früher.
Ein paar der Bäume waren verschwunden. Darwen sah die Stümpfe und roch das Sägemehl. Und das war nicht alles. Er roch auch Öl und Rauch. Nahe beim Spiegel hörte er, dass sich etwas bewegte, er vernahm – wie er vermutete – das Schnaufen und Keuchen von Knatschern und Schrubblern bei der Arbeit, außerdem mechanisches Klappern und Hämmern. Er wagte nicht, noch einmal hindurchzusteigen, nicht einmal mit dem Tarnschirm, aber er war sich sicher: Die Schrubbler bauten etwas. Er hatte keine Ahnung, was es war, aber er spürte, wie ihn Furcht befiel bei dem Gedanken, was sie damit vielleicht machen könnten, sobald sie fertig waren.
Darwen war noch in Gedanken versunken, als er plötzlich im Spiegel ein dunkles Flimmern wahrnahm – als strömte schwarzes Wasser über das noch verbliebene Unterholz. Ein Schatten, zu dem es jedoch nichts gab, was ihn hätte werfen können! Er bewegte sich, kam rasend schnell und ruckartig näher und glitt dann über die Oberfläche des Spiegels. Kurz schien es, als sei alles Licht aus dem Wald gesaugt. Es war nicht nur einfach so, dass Silbrica verschwand. Eine schwarze Leere tat sich auf, wie luftleerer Raum – als ob der Schatten alles, was er berührte, verschwinden ließ. Darwen zuckte zurück, und dann war es wieder weg, und der zerstörte Wald lag wieder vor ihm.
Aber da war noch etwas anderes, was Darwen zuvor nicht gesehen hatte.
Der wunderschöne Springbrunnen, wo die Talfeen lebten, war grob umgerissen worden und lag am Fuß eines Baums. Die verschlungenen Streben des Käfigs waren verbogen und aufgebrochen.
K A P I T E L 2 0
Am Donnerstag fiel der Unterricht aus, stattdessen fuhr die gesamte Klasse in den Zoo von Atlanta. Die Lehrer gaben sich alle Mühe, diesen Ausflug so spaßfrei wie möglich zu gestalten und mit Bildung zu überfrachten, aber Darwen hätte den schulfreien Tag auch ohne die Tiere genossen. Und noch besser war: Noch bevor sie aus dem Bus ausstiegen, sagte Rich, dass er ihm glaubte.
»Alex mag ja eine blühende Fantasie haben«, sagte er, »aber das Zeug über diese Jenkins hätte selbst sie sich nicht ausdenken können.«
»Also glaubst du mir wegen dem, was Alex gesagt hat?«, fauchte Darwen empört. »Na, vielen Dank.«
»Na ja, nicht nur deswegen«, sagte Rich unsicher.
»Ich dachte, wir wären Buddys«, sagte Darwen und sah ihm fest ins Gesicht.
»Was ist das denn? So was wie Kumpels?«, sagte Rich. »Ja. Klar. Aber, Mann, ich soll dir glauben, dass du durch deinen Badezimmerspiegel geklettert bist, obwohl das nach allen physikalischen Gesetzen nicht sein kann, und in einer anderen Welt gelandet bist – und das nur, weil du mir das einfach so erzählst?«
Da war etwas dran.
»Der Spiegel ist nicht im Badezimmer«, sagte Darwen. »Der hängt in meinem Wandschrank.«
»Ah«, sagte Rich und grinste. »Das ist natürlich etwas ganz anderes. So erscheint es ja gleich viel plausibler.«
Darwen zuckte die Achseln, grinste und brummte: »Hast ja recht.« Und während Alex mit den Augen rollte und mit wissender Stimme »Jungs« murmelte, schüttelten sich die beiden die Hand und zogen dann zusammen los, um sich die Orang-Utans anzusehen.
Es wurde ein wundervoller Tag, so schön, dass Darwen seine verschiedenen Sorgen beinahe vergaß. Der Himmel war strahlend blau, die Luft kühl, und alle Tiere waren draußen und
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