Mr. Peregrines Geheimnis: Roman (German Edition)
Ihnen aus reiner Gutherzigkeit angeboten hat …« Darwen verzog das Gesicht. »Sie hat mich gebeten, Ihnen mitzuteilen, dass sie Ihnen keinen weiteren Unterricht mehr erteilen wird, solange Sie sich nicht in aller Form bei ihr entschuldigt haben.«
»Oh«, sagte Darwen, der zu dem Schluss kam, dass die ganze verfahrene Situation offensichtlich doch noch ihr Gutes hatte. »Selbstverständlich. Also, ich weiß ihr Angebot wirklich sehr zu schätzen, aber wegen mir muss sie sich diese Mühe nicht machen.«
»Wollte sie Ihnen nicht helfen, damit Sie sprachlich ein wenig besser hier hereinpassen?«
»Jep, wahrscheinlich«, sagte Darwen, »aber das ist schon okay. Mir macht es nichts aus, wenn ich nicht komplett hereinpasse.«
»Nicht komplett«, wiederholte der Direktor mit einem Blick, der Darwen zu verstehen gab, dass er überhaupt nicht hereinpasste. »Ich bin sicher, dass Sie innerlich mit vielem beschäftigt sind, aber …«
Darwen dachte an den Spiegel, an das Schrubblerskelett und daran, wie Mr. Peregrine alles abgestritten hatte.
»Ja, Sir.«
»Und das war ja auch zu erwarten«, sagte der Direktor. »Vielleicht sollten wir ein paar Stunden bei einem Therapeuten organisieren …«
»Oh.« Darwen begriff nun, wovon der Direktor sprach. »Nein, mir geht es gut.«
Für einen kurzen Augenblick befand er sich wieder in seiner alten Schule in England und saß im Klassenzimmer, als der dortige Schulleiter plötzlich in der Tür des Klassenraums erschienen war. Wie immer, wenn er auftauchte, hoben alle Kinder die Köpfe, denn das hieß, dass irgendjemand Ärger bekommen würde, und sie verfolgten genau, wie er sich zu ihrer Lehrerin hinunterbeugte und Mrs. Arden den Namen des Unglücklichen ins Ohr flüsterte, wegen dem er gekommen war …
Darwen Arkwright.
Darwen war völlig verwirrt gewesen. Er hatte nichts gemacht. Wieso bekam er Ärger? Die anderen Kinder sahen ihn mit großen Augen an, manche waren entsetzt, andere wieder grinsten und zeigten mit dem Finger auf ihn. Aber da war etwas im Gesichtsausdruck seiner Lehrerin und auch an der freundlichen Art, mit der ihm der Schulleiter die Hand auf die Schulter legte, die ihn mit Panik erfüllte. Es war etwas passiert. Etwas Schlimmes.
Und dann erfuhr er von dem Unfall. Die Einzelheiten hörte er kaum, er wollte sich das alles auch gar nicht vorstellen können. Stattdessen hatte er innerlich die Vögel aufgesagt, die er in dieser Woche in seinem Beobachtungsbuch eingetragen hatte: Amsel, Singdrossel, Spatz … Der Schulleiter hatte immer weiter geredet, und Darwen hatte zwischendurch gelegentlich genickt, um ihm zu zeigen, dass er verstand, worum es ging. Aber während er dasaß, hatte er seine Erinnerungen an seine Eltern von dem Ort entfernt, den sie einmal eingenommen hatten, und sie tief in seinem Inneren verborgen. So, als ob er etwas Gefährliches im tiefsten Schacht einer verlassenen Mine deponierte, an einem so entlegenen und verlassenen Ort, dass er es sich niemals trauen würde, dorthin zurückzukehren, um es je wieder anzusehen …
»Mr. Arkwright?«, sprach ihn der Direktor nun leise an.
Mit einem Ruck kehrte Darwen in die Gegenwart zurück. Er hatte nicht unhöflich sein wollen, aber er legte auch keinen Wert darauf, über … was auch immer zu reden. Und Mitleid wollte er schon gar nicht. Er sah aus dem Fenster, aber er merkte, dass der Blick des Direktors auf ihm ruhte und dass von ihm nun eine Antwort erwartet wurde. Während sich das Schweigen ausdehnte, blickte Darwen weiter über das Gelände, dorthin, wo er den Flitterfalk gesehen hatte.
Schließlich sagte Direktor Thompson nur: »Nun gut. Wir handeln an dieser Schule nach dem Grundsatz, dass Nachsitzen stets sofort erfolgen sollte. Deine Tante wird darüber informiert, dass du heute Abend bis sieben Uhr hierbleiben wirst. Man wird dir eine geeignete Arbeit zuweisen, die du in dieser Zeit ableisten kannst.«
»Heute?«, fragte Darwen. Wie konnte er dann zu Mr. Peregrine und ihm den Spiegel zurückbringen?
»Heute, Mr. Arkwright.«
»Aber, Sir …«
»Aber gar nichts, Mr. Arkwright«, sagte der Direktor und wandte sich wieder den Papieren auf seinem Schreibtisch zu. »Guten Tag.«
Darwen verließ sein Büro und zog die schwere Tür hinter sich zu: Kurz dachte er darüber nach, einfach abzuhauen: die Treppe hinunterzugehen, aus der dämmrigen Eingangshalle hinaus in den hellen Sonnenschein zu treten und nie mehr wiederzukommen. Es erschien ihm plötzlich äußerst verlockend und für
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