Mr Pink Floyd
immer als Überlebende betrachtet, auch ich hätte, als Syd verrückt wurde, keinen Penny auf unsere Zukunft gesetzt. Auf unserem ersten Album war eine so hohe Dichte an musikalischen Ideen, von der ersten bis zur letzten allesamt von Syd, dass wir nur schwerlich hoffen konnten, irgendetwas in der Art noch einmal hinzukriegen. Es waren erfrischend kindliche Ideen, aber von uns allen war nur Syd allein
dazu bestimmt, niemals groß zu werden. Während ich meine Songs schrieb, hab ich mich immer an folgendes Prinzip gehalten: Wenn du die Grundidee erfasst hast, ist der Rest nur noch Technik, Verzierung, Tricks. Ich muss lachen, wenn ich höre, DARK SIDE sei die »perfekte Scheibe«, als hätte die manische Sorgfalt den größten Erfolg aller Zeiten aus ihr gemacht: Nein, es ist die Angst darin, die Wut, die Verzweiflung, es ist das, was meine Worte und deine Musik trotz aller Tüftelei intakt gelassen haben. Als ich das eines Tages Rick zu erklären versuchte, hab ich nach fünf Minuten wieder aufgegeben, denn bereits an seinem Blick war abzulesen, dass er keinen blassen Schimmer hatte, wovon ich sprach.
Aber auch die beste Lektion ist Verschwendung, wenn die Hauptpersonen fehlen. Syd hat uns den Wert der Einfachheit vermittelt, aus der er seinen Mut schöpfte, all diese schwachsinnigen Liedchen, diese albernen Reime, nehmt nur mal den Song Bike , das ist Syd in Reinform, die Freude eines Kindes über sein erstes Fahrrad, die Begeisterung für das Körbchen am Lenkrad, der unangenehme, very britishe Umstand, es nicht dem Mädchen, das er so gern hat, geben zu können, da er es selbst nur geliehen hat, die Vorahnung, dass dieses Mädchen genau das richtige für ihn wäre, aber … und bei diesem »aber« endet das Lied mit dem absurden Geschnatter einer durchgedrehten Gans, wer sonst hat den Mut zu so etwas? Wir hatten das Pech, ihn zu verlieren, aber auch das Glück, ihn gehabt zu haben, vor allem am Anfang … Der Anfang ist, was zählt, Dave, wie im Leben … Alles entscheidet sich in den ersten sechs, sieben Jahren, danach ist es nur noch eine Frage von Aktualisierung … Das Gleiche galt für Pink Floyd , wir sind ein ausgewachsener Baum, der sich aus diesem Spross entwickelt hat, darum haben wir ihn am Leben erhalten, darum haben wir ihn verraten, so wie jeder Erwachsene das Kind verrät, das er einmal war … Vor allem, als der Erfolg aufkam, der echte … Ich glaube, ich war der Erste, der das kapiert hat. Während uns die Welt wegen
DARK SIDE bejubelte, spürte ich, dass wir keine Freunde mehr sein könnten, dass jene Pink Floyd tot waren, dass es zwischen dir und mir zu Problemen kommen würde … Und wenn uns noch das eine oder andere gut gelungen ist, dann allein dank Syd, aber hier muss ich Schluss machen, du weißt, warum.
DRITTE BEFRAGUNG
Marzio Acquaviva (2)
Offenbar wollen die uns hier zum Narren halten. Syd hier, Syd da, Syd oben, Syd unten: Super, wozu dieser ganze Wirbel, wenn man hinterher doch nicht durchblickt? Hört euch noch mal die Befragung von Johnny Gordon an, der hier von allen Rednern als einziger die entscheidende Frage in den Raum gestellt hat, und dann behauptet noch einmal, die würden uns nicht auf den Arm nehmen. Vor allem Roger. Ein Beispiel? In If , auf der B-Seite von ATOM, spricht er in der ersten Person, als wäre er Syd, aber am Ende wendet er sich an ein Gegenüber, das auch niemand anderes als Syd sein kann. Das Gleiche in Fearless , auf der A-Seite von MEDDLE, und in Nobody home , wo er so tut, als gehörten die Gummibänder, mit denen sich Syd die Schuhe zugemacht hat, zu seinen Schuhen … Ergebnis, am Ende sind sogar die Texte der Post-Waters-Ära auf Roger bezogen worden: angefangen beim letzten Stück von A MOMENTARY LAPSE OF REASON, Sorrow : Wer richtig hinhört, wird mir zustimmen, dass es um Syd geht. Um wen sonst! In THE WALL ist es Roger in einem extrem schwierigen Unterfangen gelungen, von seinem Vater und Syd als einer Person zu sprechen und dabei von Anfang bis Ende die Zweideutigkeit aufrechtzuerhalten. In THE FINAL CUT gerät dieses Gleichgewicht dann ins Wanken, und die Figur des Vaters setzt sich durch. Aber bei der nächstbesten Gelegenheit, das heißt mit LAPSE, rückt Dave Syd wieder ins Zentrum. Und als wäre das noch nicht eindeutig genug, und zumal Rick und Nick ihm inzwischen so gehorchen
wie einst Roger, bohrt er mit dem Album THE DIVISION BELL noch einmal richtig tief in der Wunde, auf dem abgesehen vom Instrumentalstück Marooned , das ist
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