Mr Pink Floyd
geworden ist. Als er aber starb, war er wieder dünn wie als Junge, erst ein Geschwür, dann der Tumor … Er starb im selben Krankenhaus, in dem mein Vater als Arzt gearbeitet hatte und fünfundvierzig Jahre früher der gleichen Krankheit erlag, halt, ich muss mich korrigieren, gegen Ende hat Roger uns gebeten, ihn nach Hause zu holen, nicht zu uns, sondern zu sich, in sein Kellergeschoss, wo wir im Wechsel bei ihm gewacht haben, wie in einer Katakombe … Drei Tage lang, am 4. Juli ist er entlassen worden und am 7. gestorben, und die Zeitungen konnten sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass Vollmond war und er wie ein Diamant am Himmel leuchtete.
ERSTE AUFFORDERUNG
Michel Rémy
Pink Floyd -Sammler, Leiter der Cahiers du Pink und selbstverständlich Fan. Mit Interesse habe ich mir die Beiträge meines italienischen Kollegen angehört, möchte jedoch den Fokus der Debatte auf eine Frage lenken, von der sich bisher alle mit beinahe verdächtiger Regelmäßigkeit ferngehalten haben. Schonungslos will ich alle Fans auf der Welt mit folgender Frage konfrontieren: Dave oder Roger, für wen seid ihr? Vergesst Syd für einen Augenblick und sagt mir, auf wessen Seite ihr steht. Die Frage ist durchaus von Belang, denn selbstverständlich berührt sie auch die generelle Auffassung von Pink Floyd .
Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden, sondern sage euch gleich, dass ich auf Rogers Seite stehe, und auch, warum.
Roger ist zwar der Lyriker, aber als er sich an der Musik versuchte, war er ausgezeichnet: Ohne Comfortably numb und noch einen Titel ist THE WALL sozusagen komplett von ihm. So etwas kann man von Dave nicht behaupten, der sich beim Texten von seiner Frau Polly helfen lassen musste.
Roger war in der Lage, selbst in Momenten größter Anspannung das Beste aus Dave herauszuholen, wie zum Beispiel in dem unterschätzten Meisterwerk THE FINAL CUT. So etwas kann man von etc. etc.
Alles, was Roger anfasst, wird zur Obsession; sie macht sein Verhältnis zur Welt aus. Dave dagegen lässt alles in Trübsal zerfließen. Ich kann ihn mir gut bei den Beatles vorstellen, wie er
The long and winding road oder While my guitar gently weeps singt. Aber Pink Floyd sind nicht die Beatles , der Unterschied liegt exakt in dieser Obsession. Ergo.
Roger wird als Sänger wiederentdeckt. Es stimmt nicht, dass der berühmte »Floyd sound« ausschließlich an Daves Stimme gebunden ist, oder eben nur unter der Voraussetzung, dass man zuvor Stellung bezogen hat. Aber von wem ist denn dieses schauerliche Reviergebrüll in Pow R. Toc H. und Careful with that axe ? Von wem das Siegel der Entfremdung in Brain damage , von wem ist das giftige Fistelstimmchen in den drei mit »Schwein« betitelten Stücken von ANIMALS? Von wem das Beben in der Stimme in Mother oder der metallische Klang in Empty spaces , von wem die operngleiche Wucht in Bring the boys back home , von wem die Spannweite, von zerfließender Sanftheit am Anfang bis zur Hysterie am Ende, in One of my turns ? Und wer allein ist fähig, Comfortably numb mit solch sadistischer Eleganz zu singen? Vergleicht den von ihm gesungenen ersten und dritten Teil mit dem gewiss auch hervorragend von Dave interpretierten zweiten und vierten Teil, und dann lasst es mich wissen. Lasst mich auch wissen, ob Roger in The trial nicht wie die männliche Version von Lotte Lenya klingt. Lasst mich wissen, ob Rogers Stimme in The thin ice nicht genauso dünn wie das Eis wird. Und lasst mich wissen, wer THE FINAL CUT komplett hätte singen können, ohne sich einmal zu wiederholen.
Gewiss ist Roger ein schwieriger Charakter: Aber niemand kann abstreiten, dass er immer versucht hat, Pink Floyd auf ihrem mit Stolz und Einzigartigkeit gepflasterten Weg zu halten. Dave hat sie dagegen immer unbewusst und schicksalhaft Schritt für Schritt an den honigsüßen Rand des Easy Listening getrieben: wie seine ersten beiden Soloalben belegen, wo sich sein Wesen frei ausdrücken und entfalten konnte. Ist schon richtig, dass er in A MOMENTARY LAPSE OF REASON und THE DIVISION BELL Songs hervorholt, die einem durch Mark und Bein gehen, aber schnell hat man begriffen, dass sich Dave dadurch,
dass er die Alben im Namen von Pink Floyd herausgab, selbst zensiert hat, ja, sich Rogers ehemalige vehemente und schauspielerische Ansprüche verinnerlicht und zu eigen gemacht hat. Die Platten sind im Streit mit Roger erschienen: Aber um zu zeigen, dass Pink Floyd auch ohne Roger Pink Floyd bleibt, musste Dave einen
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