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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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hörte die Schreie«, sagt der Mann. »Ich wollte sehen, was los ist. Es tut mir leid, ich dachte, dass es hier vielleicht Probleme gibt.«
    Der Mann spricht, als hätte er erst kürzlich entdeckt, dass es Worte gibt. Nicht nur die englische Sprache, sondern überhaupt Worte. Die Natur des Sprechens ist ihm fremd.
    »Oh«, sagt der Vater des Jungen beunruhigt. »Nun, hier gibt es keine Probleme, Sir.«
    »Nein. Das sehe ich.«
    Die Männer und der Junge sehen ihn unbehaglich an, warten darauf, dass er wieder geht. Aber er tut es nicht. Er starrt das in dem Blutlehm zusammengesunkene Tier an, über dessen Flanke Flammen lecken.
    Der Mann wird sich wieder ihrer bewusst. »Ich kann Ihnen helfen«, sagt er.
    »Wie bitte?«
    »Ich kann helfen. Ich habe in Schlachthäusern gearbeitet. Viele Male. Ich kann helfen.«
    »Wir brauchen keine Hilfe.«
    »Nein, ich schätze nicht. Aber viele von Ihnen haben noch andere Arbeiten zu erledigen. Oder?«
    Das ist wahr. Es ist der Beginn eines arbeitsreichen Tages. Sie müssen das Fleisch salzen und dann den Rest der Farm für ihre Abreise vorbereiten. Der Mann ist zu einem schwierigen Zeitpunkt eingetroffen.
    »Wir können Ihnen nicht viel zahlen«, sagt der Vater.
    »Ich habe nicht viel erwartet. Und ich will auch nicht viel.«
    »Das klingt gut«, erwidert der Vater und reicht dem Mann das Schabermesser. »Hilf ihm«, befiehlt er dem Jungen, und die meisten wenden sich anderen Arbeiten zu.
    Sobald das Feuer erloschen ist, hilft der Junge dem Mann, den Tierkörper festzuhalten, und der Fremde stellt sich breitbeinig darüber, lässt das Messer mit müheloser Anmut herumwirbeln. Er betrachtet ihn mit der Sorgfalt eines Arztes, dann hält er das Messer mit beiden Händen fest und fängt an, den Körper abzuschaben, häuft das verbrannte Haar übereinander, schaufelt es mit der gekrümmten Klinge zusammen und schleudert es weg. Die anderen Männer sehen ihm zu, beeindruckt von seiner Sicherheit. Als er ihnen zuruft, das Schwein umzudrehen, reagieren sie und der Junge schnell. Aber wieder fällt dem Jungen seine Unbeholfenheit mit Worten auf. Zuerst war der Ruf nicht einmal ein Wort, nur ein blökender Laut, der nach Hilfe verlangte. Dann schien der Fremde sich zu erinnern und veränderte ihn, fügte einen vagen Befehl hinzu. Trotzdem gehorchten sie.
    Sie drehen das Tier um, und der Mann nimmt ein paar Hände voll Stroh und verteilt es über die andere Seite. Der Junge schaut nach unten und entdeckt rostbraune und scharlachrote Streifen auf dem Mantel des Mannes.
    »Mister, Sie beschmutzen Ihre Mantelschöße mit Blut«, sagt er.
    »Das spielt keine Rolle«, sagt der Mann, entzündet ein Streichholz und setzt das nächste Feuer in Brand. Alle treten zurück und sehen ihm wieder zu.
    »Du hast schon zuvor zugesehen, wie man schlachtet«, sagt der Mann zu dem Jungen.
    Der Junge nickt.
    »Das ist gut.«
    »Warum?«
    »An manchen Orten weiß man über solche Dinge nicht Bescheid. Und man will es auch nicht. Man tut so, als würde es das nicht geben. Aber es ist gut, sich daran zu erinnern, wo wir herkommen und wo wir hingehen«, sagt der Mann und sieht dem brennenden Körper zu.
    »Ich habe schon ein Schwein getötet«, sagt der Junge.
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Einen wilden Eber. Ich habe ihn erschossen.«
    »Auf der Jagd?«
    »Nein. Er kam auf unseren Hof. Fing an, die Ferkel zu fressen.«
    Der Mann nickt, den Blick noch immer auf das Feuer gerichtet. Es ist nicht klar, ob er überhaupt zuhört.
    »Es war Nacht, und mein Pa war weg«, erzählt der Junge. »Ich hörte Schreie. Ich dachte, sie kämen von Menschen, genau wie Sie vorhin. Ich ging raus, und er fraß sie, und ich schoss ihn mit der Schrotflinte in den Kopf.«
    »Das hast du gut gemacht«, sagt der Mann. »Die meisten wären weggelaufen oder hätten danebengeschossen.«
    »Ich weiß«, antwortet der Junge leise, aber er hat nicht das Gefühl, es gut gemacht zu haben. Er verspürt keinen Stolz auf diese Nacht in der Scheune, mit den Schreien und dem Moschusgestank und dem schnaubenden Atem des Dings in der Dunkelheit oder dem Donnern und Blitzen der Schrotflinte. Und wie der Boden nass war, nass vor Blut.
    Sie betrachten beide das tote, brennende Ding und sehen zu, wie das Heu schwarz wird und sich kräuselt. Es brennt sich aus. Erneut richtet der Junge den Kadaver, und der Mann befreit ihn von allen Haaren, und sie drehen ihn und entzünden ein neues Feuer und drehen und brennen wieder, bis er geräuchert und glatt ist. Die Ohren

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