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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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erklärte Roosevelt dem Jungen. »Du hast genau das getan, was ich auch getan hätte. Du musstest ihn dort wegbekommen, damit er keinem deiner Leute etwas antun konnte.«
    »Wird er … wird er zurückkommen?«, flüsterte der Junge.
    »Nein«, sagte Roosevelt sanft. »Nein. Ist er erst einmal weg, ist er weg. Er kommt nicht zurück. Das hat er noch nie getan.«
    »Ich habe noch nie einen Mann mit so einem Gesichtsausdruck gesehen. Er war so glücklich und so verrückt. Alles nur wegen eines Herzens.«
    »Du hast gesagt, er ist von eurer Farm nach Südwesten gegangen?«, fragte Connelly.
    »Ja.«
    »Wo liegt sie?«
    Der Junge beschrieb es ihnen.
    »Und er ist zu Fuß unterwegs?«
    »Ja. Vielleicht findet er eine Mitfahrgelegenheit, was weiß ich. Ist keine besonders populäre Straße, aber man weiß ja nie.«
    »Was liegt südwestlich von eurer Farm?«, fragte Pike.
    »Hauptsächlich Ackerland. Ein oder zwei kleine Dörfer, glaube ich. Cutston liegt in dieser Richtung, glaube ich. Aber die Dürre hat die Leute dort schwer getroffen. Genau wie alle hier.«
    »Ich verstehe.«
    »Darf ich jetzt meinen Nickel haben, Mister?«
    »Sicher, sicher«, sagte Roosevelt und warf ihm die Münze zu.
    »Vielen Dank«, sagte der Junge.
    »Pass gut auf dich auf.«
    Er erhob sich und marschierte in die Nacht.
    »Er hat ein Herz gegessen«, sagte Hammond leise.
    »Ich glaube, wenn er gekonnt hätte, hätte er das verdammte Ding lebend gegessen«, murmelte Roosevelt. »Herrgott noch mal. Der Kerl ist verrückter als eine Scheißhausratte.«
    »Achten Sie auf Ihre Ausdrucksweise«, sagte Pike gedankenverloren.
    »Also ist er verrückt?«, fragte Connelly.
    »Es hat den Anschein«, sagte Pike. »Sie haben den Jungen ja gehört. Es hat ihn überwältigt. Er musste einen Bissen nehmen, wie ein unartiger Junge, der etwas Süßes stiehlt. Er hat sich nicht unter Kontrolle. Was auch immer ihn antreibt, es tut das, ob er will oder nicht.«
    »Und er hat zuvor in einem Schlachthaus gearbeitet«, sagte Roosevelt.
    »Die Welt ist sein verdammtes Schlachthaus«, fauchte Connelly.
    Von seiner plötzlichen Wut verstört, zuckten die Männer zusammen. Sie sahen zu, wie sein Zorn stieg und sich dann in Luft auflöste.
    »Warum ist er überhaupt zu dieser Schlachtung gegangen?«, fragte Hammond.
    »Vermutlich wird er von solchen Dingen angezogen«, meinte Pike. »Er genießt sie. Schließlich heißt es, dass Schweinefleisch Menschenfleisch am nächsten kommt.«
    Hammond erschauderte. »Mein Gott.«
    Eine Weile schwiegen alle, hingen ihren Gedanken nach.
    »Schlagen wir unser Lager auf, solange wir noch können, und schlafen etwas«, sagte Pike. »Morgen früh steht uns eine lange Wanderung bevor.«
    Sie zogen sich auf die Felder zurück, fort von den Überresten des Wanderzirkus, und legten sich ohne ein Feuer zu entzünden hin. Roosevelt verschwand in den Büschen und kam mit einer Handvoll Stöcken und Blättern zurück. Connelly sah ihm zu, als er sich setzte und anfing, etwas zu basteln, die Zweige miteinander verflocht und dann die Blätter um die Verbindungsstellen wickelte. Er arbeitete schnell, und bald entstand ein kleiner, menschenähnlicher Gegenstand, ein kleines Idol mit spindeldürren Beinen, einem fetten Graskörper und einem kleinen Holzstück als Kopf. Er schaufelte eine Handvoll Erde in seine Handfläche, spuckte darauf und vermengte alles zu einer schwarzen Paste. Er rieb etwas von dieser Paste auf den kleinen Kopf des Idols und blies darauf, bis sie fest war. Dann kratzte er zwei Augen hinein. Er nickte und drückte die kleine Figur neben seinem Schlafplatz in die Erde, sodass sie aufrecht stand.
    »Was ist das?«, fragte Connelly.
    »Mein Aufpasser«, sagte Rosie.
    »Ihr was?«
    »Mein Aufpasser. Er passt nachts auf mich auf. Sollte etwas Böses passieren, dann passiert es ihm und nicht mir.«
    »Was?«
    »Er wird für mich leiden. An meiner Stelle.«
    Rosie rollte sich herum und war bald eingeschlafen. Connelly blieb sitzen, schaute das kleine Idol an. Es erschien seltsam, aber jetzt, wo der Matsch getrocknet war, sah es irgendwie anders aus. Das Gesicht wies mehr Details auf, und die Gliedmaßen waren nicht mehr so dünn. Es wirkte kompakter. Lebendiger.
    Connelly legte sich hin und schlief. Als sie am Morgen erwachten, war das Idol kaputt; die Gliedmaßen waren zerbrochen, der Körper war ausgefranst und das Lehmgesicht zerkratzt. Connelly fragte Roosevelt nicht danach, obwohl er es im ersten Augenblick tun wollte.

SECHS
    Sie

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