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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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dort.«
    »Ich schätze, sie hatten recht«, sagte Hammond. »Der Mann war hier.«
    Connelly konnte fühlen, wie bei allen die Anspannung entwich wie Rauch.
    »Das können Sie vermutlich nicht verstehen«, sagte Pike mit leiser Stimme. »So nahe waren wir seit Jahren nicht an ihm dran.«
    »Ich verstehe es genau«, sagte Connelly.
    Sie saßen auf der Straße, sahen zu, wie die Zelte umkippten und zusammensanken, und warteten auf den Jungen. Er war ein dürrer Bursche, kaum älter als dreizehn, hatte hellblondes Haar, trug einen Overall und war barfuß. Als die Zirkusleute ihm seinen Lohn gegeben hatten, kam er zu ihnen herüber und sagte: »Sind Sie die Leute, die nach dem hässlichen Kerl suchen?«
    »Das ist richtig«, erwiderte Pike.
    »Warum suchen Sie nach ihm?«
    »Er hat mir etwas gestohlen«, sagte Hammond geistesgegenwärtig.
    »Ha! Das glaube ich gern.«
    »Warum sagst du das?«
    Der Junge gab darauf keine Antwort. Stattdessen sagte er: »Mein Bruder schuldet mir fünfzehn Cent, hat sie mir noch immer nicht gegeben.«
    »Die ganze Welt ist voller Hurensöhne«, sagte Hammond.
    »Achten Sie vor dem Jungen auf Ihre Ausdrucksweise«, wies Pike ihn zurecht, aber es schien den Jungen zu erfreuen, dass erwachsene Männer so zwanglos vor ihm fluchten.
    »Komm, setz dich zu uns, wenn du willst«, sagte Roosevelt.
    »Das mache ich gern, danke.«
    »Was hat jemand in deinem Alter noch so spät hier draußen zu suchen?«
    »Ich arbeite. Ich nehme, was ich kriegen kann. Meine Eltern wollen nach Westen. Wir werden dort Obst pflücken. Vielleicht finde ich auch etwas.«
    »Sie ziehen nach Kalifornien?«, wollte Pike wissen.
    »Oder nach New Mexico wegen der Baumwolle, sie haben sich noch nicht entschieden. Sie streiten sich viel darüber.«
    »Die Zeiten sind schwer«, sagte Hammond.
    »Das sind sie. Im Staat ist einfach alles vertrocknet. Als wäre die Erde plötzlich auf die Idee gekommen, dass sie keine Lust mehr auf die Pflanzen hat, und sie im Stich ließ.«
    »Wo hast du den Mann mit den Narben gesehen?«, fragte Pike ungeduldig.
    »Warum?«
    »Das sagte ich doch schon«, meinte Hammond. »Er hat mir etwas gestohlen und …«
    »Das meine ich nicht. Ich meine, warum sollte ich Ihnen das erzählen?«
    »Warum nicht?« Pike runzelte die Stirn.
    »Ich erzähle Ihnen doch nicht umsonst, was ich weiß. Warum sollte ich das machen?«
    »Du kleine Kröte!«, knurrte Pike. »Wie kannst du es wagen, so mit Erwachsenen zu sprechen? Wäre ich dein Vater, würde ich dich grün und blau schlagen.«
    »Aber das sind Sie nicht. Ihr seid bloß ein paar Hobos auf der Straße, genau wie der hässliche Kerl.«
    Pike machte Anstalten aufzustehen. Der Junge sprang auf die Füße und außer Reichweite, seine Augen waren weit aufgerissen und voller Furcht.
    »Hier«, sagte Roosevelt. »Hier. Ich habe einen Nickel. Setzen wir uns alle wieder hin, ich habe einen Nickel.«
    Pike schaute ihn böse an, ließ sich aber erneut nieder. Der Junge sah Roosevelt und dann den Nickel in seiner Hand an. Er kam näher und versuchte, ihn sich zu nehmen, aber Roosevelt ließ die Finger zuschnappen.
    »Den bekommst du, nachdem du mit mir gesprochen hast«, sagte er.
    »Sie werden ihn einfach behalten.«
    »Das werde ich nicht.«
    »Doch, werden Sie.«
    »Ich bin vielleicht ein Hobo, aber ich bin kein Mistkerl«, sagte Roosevelt.
    Hammond lächelte. »Die Welt ist voller Mistkerle, genau wie ich sagte.«
    Der Junge setzte sich wieder, hielt aber Abstand zu Pike.
    »Also«, sagte Roosevelt. »Wo bist du ihm begegnet? Wo hast du den Narbigen gesehen?«
    »Drüben bei meinem Pa.«
    »Zuerst einmal, wie hat er denn ausgesehen?«, wollte Connelly wissen.
    »Gute Frage«, bemerkte Pike.
    »Er war ein großer Mann«, sagte der Junge. »Groß, mit müden Augen, und er hat nicht viel geblinzelt. Und er hatte diese großen Narben im Gesicht und um den Mund herum, und das ließ ihn aussehen, als wäre sein Mund dreimal so groß wie bei einem normalen Mann. Hier und hier«, sagte er und zeichnete die Linien auf seine Wangen, die sie alle so gut kannten.
    »Wie bist du ihm begegnet?«
    Der Junge zögerte, als müsste er ein schreckliches Geheimnis über sich selbst lüften. »Sie werden es doch keinem erzählen, oder?«
    »Warum? Was hat er getan?«
    »Ich will einfach nicht, dass es jemand erfährt. Ich will einfach nicht, dass noch jemand erfährt, was ich ihn habe tun sehen.«
    »Was hat er denn getan?«
    »Versprechen Sie mir, dass Sie es niemandem erzählen? Ich

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