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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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befiehlt dem Jungen, ins Haus zu gehen und einen Beutel mit Brot und Pökelfleisch zu füllen. Er gehorcht, und während er in der Küche steht, beobachtet er die Männer durch das Fenster. Ein Mann stellt den Eimer mit den Schweineinnereien neben die Hintertür. Der Junge fährt mit seiner Arbeit fort, aber dann hört er etwas. Es ist nur der Wind, zumindest hält er es dafür, aber dann hört er es erneut. Er geht zurück zum Fenster. Dort ist nichts als der Eimer und die sinkende Sonne, die die Schatten in die Länge zieht.
    Aber dann sieht der Junge ihn. Es ist der Fremde, der unauffällig in Richtung des Eimers geht. Er dreht sich um, um zu prüfen, ob man ihn beobachtet. Als er sich davon überzeugt hat, dass dies nicht der Fall ist, zieht er ein kleines Taschentuch aus der Tasche und geht zu dem Eimer, sieht hinein. Der Junge zieht sich vom Fenster zurück, duckt sich, um unentdeckt zuzusehen. Der Mann schaut begierig in den Eimer, in seinem Blick liegt eine wilde Freude, sogar Hunger. Erneut sieht er sich um. Seine Brust hebt und senkt sich, und er schwitzt leicht; als seine Hand in den Eimer fasst, zittert sie. Er ergreift etwas, etwas Hartes und Graues und Rotes, und der Junge erkennt, dass es sich um das Schweineherz handelt. Der Fremde betrachtet es, schmachtet es an, schluckt nervös. Sein Kopf fährt herum, sieht nach hinten, überprüft noch einmal, ob ihn niemand beobachtet. Dann öffnet sich sein Mund, öffnet sich viel weiter, als sich ein Mund öffnen können sollte, enthüllt zeitungsgraue Zähne und eine matte, sandartige Zunge, und er beißt in das Herz, reißt mit der ganzen Kraft seiner Halsmuskeln daran, und sein Kopf zuckt mit vollem Mund und rotverschmierten Lippen zurück.
    Keuchend duckt sich der Junge. Er beruhigt sich und lauscht. Der Mann steht noch immer dort. Der Junge hört ein Rascheln, dann entfernen sich Schritte, aber er kann sich vor Angst nicht rühren. Er will zu seinem Vater laufen, aber er tut es nicht. Er will diesen Mann nicht länger als unbedingt nötig in seiner Nähe haben. Und er will nicht, dass sein Vater weiß, was er gesehen hat. Er sieht noch immer das Gesicht des Mannes vor sich, wie sich dieses Gesicht verzerrt, grauenhaft in seiner Ekstase.
    Der Junge wappnet sich. Er verlässt das Haus durch die Vordertür. Dort plaudert der Fremde freundschaftlich mit den Männern. Seine Hände sind nicht rot, genauso wenig wie sein Mund, er zittert auch nicht mehr. Er sieht überhaupt nicht mehr aus wie der Mann am Fenster. Stattdessen scheint er stärker zu sein, lebendiger und aufmerksamer, als hätte ihn seine Tat verjüngt. Er sieht den Jungen näher kommen, sein Blick ist noch immer tot und abwesend. Er streckt die Hand aus, um ihm den Beutel abzunehmen.
    »Ich danke dir«, sagt er. »Es ist gut, mit den Händen zu arbeiten. Manchmal vergisst man, worin man wirklich gut ist oder wofür man überhaupt auf dieser Welt ist.«
    »Das kann schon sein«, sagt der Vater. Ihm fällt nicht auf, wie blass der Junge wird, als er dem Fremden näher kommt.
    Der Fremde winkt ihnen zu, wirft sich den Beutel über die Schulter und geht zurück zur Straße, schlägt die südwestliche Richtung ein. Er wirbelt Staub auf, die rote Wolke reicht bis zu seiner Hüfte und verschlingt ihn. Seine Spur hängt in der Luft, als er davongeht, und der Junge sieht zu, wie sie sich auflöst.
    Connelly und die anderen hörten zu, bis er seine Geschichte beendet hatte.
    »Er hat das Herz gegessen?«, fragte Pike.
    »Yes Sir«, sagte der Junge leise. »So wahr ich lebe und atme, er nahm das Herz und biss ein Stück heraus, als wäre es ein großer Apfel. Und er verstaute es in seinem Taschentuch und nahm es mit. Ich habe nachgesehen. Es lag nicht mehr im Eimer.«
    Sie schwiegen, während sie darüber nachdachten.
    »Hat einer von euch je gehört, dass er so etwas tut?«, fragte Connelly.
    Alle schüttelten den Kopf.
    »Rothäute machen so etwas, habe ich mal gehört«, sagte Roosevelt. »Mit Büffeln. Sie essen sie, weil sie sie für heilig halten. Sie glauben, sie essen den Geist.«
    »Vielleicht ist der Mann geistig verwirrt«, meinte Pike. »Vielleicht glaubt er an solche Dinge.«
    »Wenn er ein Kannibale ist, habe ich zumindest noch nie davon gehört«, sagte Hammond.
    »Nein«, sagte Pike. »Nein, das würden wir wohl auch nicht.«
    Der Junge sah ihn an. »Er hat Ihnen gar nichts gestohlen, oder?«, fragte er leise.
    »In gewisser Weise schon«, sagte Hammond.
    »Du hast das Richtige getan«,

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