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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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Kaffee ab, ging zur Fliegengittertür, verschränkte die Arme und blieb dort stehen.
    »Sie sagte es nicht zu mir«, sagte sie. »Ich hörte es zufällig. Hörte sie es in der Kirche sagen.«
    »Sie erzählt nur Mist.«
    »Marcus.«
    »Das wird schon wieder mit uns.«
    »Marcus. Marcus, das wird nicht wieder. Und ich sehe nicht, wie sich das in absehbarer Zeit ändern sollte.«
    Beide schwiegen. Ein Lastwagen fuhr langsam vorbei, der Strahl seines einzigen Scheinwerfers strich über die Büsche. Sie sahen ihm nach, und als das Mahlen seiner Reifen in der Ferne erstarb, wurde die Stille noch unerträglicher.
    »Du gehst, nicht wahr?«, fragte sie. »Du willst gehen. Diesen Mann verfolgen.«
    Connelly nickte.
    »Ich weiß. Ich kann es sehen. Ich kann es dir ansehen. Es frisst dich bei lebendigem Leib auf. Dieser Teil. Dieser Teil, den er dir nahm, dieser Teil, den sie darstellte. Diese Leere wird einfach größer. Frisst dich auf.«
    »Es ist nicht in Ordnung«, sagte er.
    Sie schüttelte den Kopf. Hob die Hand, um ihre Tränen wegzuwischen, aber da waren keine.
    »Aber ich kann alles wieder in Ordnung bringen«, erklärte er.
    »Wie? Indem du losziehst und ihn umbringst?«
    »Ja.«
    »Und wie wird das alles in Ordnung bringen?«
    »Es sorgt dafür, dass die Dinge einen Sinn ergeben. Ich muss dafür sorgen, dass sie einen Sinn ergeben. So etwas sollte nicht passieren. Wenn ich das in Ordnung bringe, kann ich wieder nach Hause zurückkommen.«
    »Du bist zu Hause.«
    »Nein. Das bin ich nicht. Das weißt du.« Er drehte sich um, damit er sie ansehen konnte. »Würdest du mich zurücknehmen?«
    »Was?«
    »Wenn ich losziehe, diesen Mann töte und zurückkomme, würdest du mich zurücknehmen?«
    »Marcus …«
    »Ich muss es tun. Ich muss. Ich will bloß wissen, ob es dann noch etwas gibt, zu dem ich zurückkehren kann, wenn es erledigt ist. Falls es je geschieht.«
    »Ich weiß nicht. Du kannst die Dinge nicht richten. Es wird niemals wieder alles in Ordnung sein. Nicht so, wie es sein sollte.«
    »Es wird für Ruhe sorgen. Es wird es erträglich machen. Würdest du mich zurücknehmen?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht. Aber, Marcus, wenn du losziehst, wenn du dein Zuhause und diesen Ort und mich verlässt und durch das Land ziehst, wie es schon Gott weiß wie viele getan haben, dann weiß ich nicht, wer da zurückkommt.«
    »Ich weiß es aber.«
    »Nein. Der Mann, der geht, und der Mann, der zurückkommt, das wird nicht derselbe sein. Das glaube ich nicht. Es wird darauf ankommen, wer zurückkehrt, Marcus.«
    »Das werde ich sein. So, wie ich früher war.«
    »Du wirst nie wieder der Mann sein, der du früher warst. Und ich werde auch nie wieder dieselbe sein. Aber ich weiß, dass es hier nichts mehr für uns gibt. Jeden Tag, den wir hier verbringen, bluten wir ein bisschen mehr. Im Inneren, an Stellen, die wir nicht sehen können. Wenn du glaubst, dass du es für dich ändern kannst, es aufhalten kannst, was auch immer in dir stirbt, dann … dann kann ich dir das nicht zum Vorwurf machen. Ich weiß nicht, ob ich dich danach zurücknehmen kann, aber ich kann es dir nicht zum Vorwurf machen.«
    Er senkte den Kopf. »Aber es besteht die Chance.«
    »Ja. Es gibt die Chance. Es gibt immer eine Chance.«
    »Ich hoffe, dass sich die Dinge bessern«, sagte er leise. »Ich hoffe, dass ich dich wieder lieben kann.«
    Sie schaute weg. »Das hoffe ich auch.«
    Er schloss die Augen. Er hörte ihre Schritte sich entfernen, und er wollte ihr etwas nachrufen, aber ihm fiel nichts ein. Dann setzte er sich wieder und dachte nach.
    Stunden später begriff er, dass sie fort war. Er hatte nicht einmal mitbekommen, wie sie das Haus verließ. Hatte nicht einmal den Wagen anspringen hören. Er stellte sich vor, dass sie wie ein Geist mit der Nacht verschmolzen war, ihr Kleid eine warme, honigfarbene Flamme, die von den dunklen Schatten verschluckt wurde; sie reiste mit dem Hut auf ihrem Kopf und ihrem Koffer in der Hand in die Dunkelheit hinein. Mit langsamen und bedächtigen, ganz normalen Bewegungen. Als würde sie etwas erwarten. Darauf warten, dass etwas vor ihr auf der Straße in Erscheinung trat.
    Dann war er zurück ins Haus gegangen. Jeder Zentimeter schien in Schweigen getaucht zu sein. Er blieb im Wohnzimmer stehen, und ihm wurde klar, dass er im Bauch von etwas stand, das einst mit vielen Versprechen schwanger gewesen war. Mit einer Zukunft und einem Leben, das auf gewaltsame Weise abgetrieben worden war, ohne dass es auf sein

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