Mr. Shivers
sich zu ihnen zu gesellen. Sollte man tatsächlich nach ihnen Ausschau halten, dann würde man auf sechs oder sieben Männer achten und nicht auf mehr.
»Falls überhaupt«, fügte er hinzu. »Diese Jungs auf dem Zug sollten vermutlich jeden töten, der dort mitfuhr. Das schien ihr Befehl gewesen zu sein.«
Sie mischten sich unter die anderen Hobos und gingen weiter, während die Sonne unterging. Die Neuankömmlinge störten sich nicht daran. Sie nahmen an, Pike und die anderen wären ein paar Meilen entfernt von einem Zug gesprungen. Als sie die Stadt erreichten, trennten sie sich. Pike drehte sich um und sagte leise: »Es ist besser, wenn wir uns aufteilen. Zwei Gruppen. Roonie, Hammond, Monk, Sie gehen ans nördliche Ende. Rosie, Connelly, Sie kommen mit mir. Wir verhalten uns unauffällig, erregen keine Aufmerksamkeit. Stellt keine Fragen, keine über Shivers, über gar nichts. Haltet bloß die Ohren offen. Hört einfach nur zu, verstanden?«
»Verstanden«, sagte Connelly.
Sie teilten sich auf. Connelly und Rosie kamen zu dem Schluss, dass ein Hobo am ehesten in einer Kneipe willkommen war. Sie klopften sich den Staub von den Kleidern und bahnten sich ihren Weg durch Seitenstraßen und über zerbrochene Zäune, bis sie eine windschiefe Kneipe fanden, eine billige Gin-Spelunke mit lärmender Kundschaft und nicht wenigen Huren. Männer mit Haut wie Leder tranken Ale aus Blechkrügen, während grell bemalte Frauen durch ihre Ränge streiften. Irgendwo hämmerte jemand auf ein Piano ein, um ihm den Rest zu geben. Überall stank es nach Tabak und Selbstgebranntem.
»Mir gefällt es hier«, sagte Roosevelt mit einem Lächeln.
»Beherrschen Sie sich, Junge«, murmelte Pike. »Es dürfte einfacher sein, keine Aufmerksamkeit zu erregen, wenn Sie die Augen im Kopf und den Schwanz in der Hose lassen.«
»Ach, immer diese Ideale, Pikey«, sagte Rosie. »Ihre erhabenen Ideale.«
Sie setzten sich an die Bar und kauften ein paar Drinks. Connelly hatte noch immer Geld in die Hosenaufschläge eingenäht, aber er hielt das nicht für den richtigen Zeitpunkt, um es zu erwähnen. Sie nippten an ihren Gläsern und versuchten einen klaren Kopf zu behalten.
Es gab keine Neuigkeiten und abgesehen vom Bargeschwätz keine tiefschürfenden Gespräche. »Ich weiß nicht, warum Sie so besorgt waren«, wandte sich Rosie an Pike. »Diese Burschen hier interessieren sich doch bloß für die Bahnstrecken. Wer auf welchem Zug ist, und wer mit wessen Hure zusammen ist. Das ist kein Feindesterritorium. Das ist nicht einmal ein Territorium. Das ist bloß ein großer Haufen Nichts.«
»Vielleicht«, sagte Pike zögernd.
»Kommen Sie schon«, sagte Roosevelt. »Mieten wir ein Zimmer.«
»Ein Zimmer?«, fragte Connelly.
»Wann haben Sie das letzte Mal ein Bett gesehen, Con? Ich schwöre, das wird es wert sein. Hören Sie einmal auf Ihren Rücken und nicht auf Ihren Geldbeutel.«
»Was meinen Sie?« Connelly sah Pike an.
»Pike würde sagen, dass wir uns unserer Tarnung entsprechend verhalten«, raunte Roosevelt. »Drei Betrunkene, die neu in der Stadt sind und sich ein Zimmer nehmen? Das ist keine Neuigkeit.«
Vielleicht war es der Alkohol, vielleicht war es auch die lange Wanderung, aber schließlich gab Pike nach. Der Barmann rief seinen Sohn, der sie in ihr Zimmer bringen sollte. Maulend erhob sich der Junge von seinem Platz, aber als er Connelly sah, stand er plötzlich kerzengerade da. Seine Augen weiteten sich vor Furcht, als sein Blick die riesige Gestalt hinaufwanderte.
»Bringst du uns nun zu unserem Zimmer, oder was?«, fragte Rosie.
Der Junge blinzelte, dann schaute er von Roosevelt zu Pike. Für Connellys Geschmack verharrte sein Blick zu lange auf ihnen. Der Junge schüttelte sich und führte sie nach oben.
Das Zimmer war kaum mehr als ein Wandschrank mit einem Bett, das nur wenig einladender als der Fußboden erschien. Die drei Männer legten sich hin, teilten sich die Matratze und die Decke. Als Connelly flach auf dem Rücken lag, musste er zugeben, dass dieses Bett besser als die üblichen Schlafgelegenheiten war.
Sein Schlaf kam schnell, und es war der erholsamste Schlaf seit Wochen.
Connelly erwachte mitten in der Nacht. Etwas störte ihn. Er vermochte es nicht sofort zu benennen, bis ihm klar wurde, dass er den Lärm und das Pianospiel unten in der Bar nicht länger hörte. Irgendwann waren sie verstummt, irgendwann vor kurzer Zeit.
Er stand auf und ging zum Fenster. Die Straßen waren leer, aber an einem Ende
Weitere Kostenlose Bücher