Mrs. Alis unpassende Leidenschaft
Puddleton helfen? Wir wollen uns das Haus nur kurz ansehen – ob die Holzfäule drin ist und so weiter.«
»Ich bin kein Fachmann auf diesem Gebiet«, wandte der Major ein. »Ich kann nicht beurteilen, ob ein Haus Potenzial hat.«
»Es geht nicht um Potenzial, sondern um die verwitwete Mrs. Augerspier«, erklärte Roger. »Sie möchte das Haus an die ›richtigen‹ Leute verkaufen. Du musst mitkommen und dich so distinguiert und charmant geben, wie du nur kannst.«
»Ich soll also mitkommen und der armen Witwe die Hand küssen wie ein italienischer Gigolo, damit sie vor lauter Verwirrtheit euer mickriges Angebot für ein Haus annimmt, das höchstwahrscheinlich ihr gesamtes finanzielles Polster darstellt?«
»Genau. Passt es dir am Donnerstag um vierzehn Uhr?«
»Fünfzehn Uhr wäre besser«, sagte der Major. »Ich habe mittags eine Verabredung in der Stadt. Es könnte ein bisschen länger dauern.« Verlegen schwieg er einige Sekunden lang. »Ich kann es beim besten Willen nicht verschieben«, fügte er hinzu. Und das stimmte ja auch. Er freute sich zwar überhaupt nicht darauf, Grace zu den Caterer-Freunden von Mrs. Ali zu begleiten, aber er war nun einmal auf ihren Wunsch eingegangen und würde es nicht ertragen, sie zu enttäuschen.
»Dann muss ich anrufen und den Termin verschieben«, sagte Roger. Seinem Tonfall nach zu urteilen bezweifelte er zwar, dass sein Vater irgendwelche sonderlich wichtigen Verabredungen hatte, aber offenbar beschloss er, großzügig zu sein und dem alten Herrn seinen Willen zu lassen.
Mrs. Ali saß im Wohnzimmer und wartete darauf, dass er mit dem Tee kam. Er steckte den Kopf zur Tür hinein und blieb kurz stehen.
Mrs. Ali bot ein wunderschönes Bild, so vor dem Erkerfenster sitzend, über ein Buch mit Fotos von Sussex gebeugt. Das Sonnenlicht, das durch die alten, schlierigen Fensterscheiben fiel, brachte die Staubkörnchen in der Luft zum Schimmern und säumte Mrs. Alis Profil wie mit einem zarten goldenen Pinselstrich. Bei ihrer Ankunft hatte sie ein dunkelrosa Kopftuch getragen, das jetzt über die Schulterpartie einer Wollkrepp-Kombination gebreitet war, deren dunkles, weiches Blau an Dämmerlicht erinnerte.
»Milch oder Zitrone?«, fragte der Major. Sie hob lächelnd den Blick.
»Zitrone und geradezu peinlich viel Zucker. Und wenn ich Freunde besuche, die einen Garten haben, bitte ich manchmal um ein Blatt Minze.«
»Ein Blatt Minze? Grüne Minze? Ananasminze? Ich hätte aber auch so eine violette, kohlartige Kuriosität – irgendeine nicht heimische Art. Meine Frau schwor Stein auf Bein, es sei Minze, aber ich hatte immer Angst davor, das Zeug zu essen.«
»Klingt ja interessant. Dürfte ich mir diese seltsame Pflanze mal ansehen?«
»Selbstverständlich«, antwortete der Major, der sich nun mit dieser plötzlichen Programmänderung auseinandersetzen musste. Den Vorschlag, den Garten zu besichtigen, hatte er sich für den Fall einer im weiteren Verlauf des Nachmittags abrupt eintretenden Gesprächspause aufgehoben. Wenn er ihr den Garten jetzt zeigte, würde der Tee möglicherweise bitter und ungenießbar werden; und was sollte er tun, falls das Gespräch später ins Stocken geriet?
»Nur schnell einen kurzen Blick, damit der Tee nicht schlecht wird«, fügte sie hinzu, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Und später darf ich Sie dann vielleicht um einen ausführlicheren Rundgang bitten?«
»Sehr, sehr gern«, erwiderte er. »Kommen Sie bitte mit durch die Küche.«
Der Weg durch die Küche und die schmale Spülküche würde sie, so lauteten die Überlegungen des Majors, zum Gartenstück an der Längsseite des Hauses führen, in dem die Würzkräuter und ein paar Stachelbeersträucher wuchsen. Der Panoramablick auf den eigentlichen, hinter dem Haus gelegenen Garten könnte dann später durch die Terrassentür im Esszimmer genossen werden. Die beiden Bereiche waren zwar nur durch eine niedrige Hecke voneinander getrennt, doch Mrs. Ali tat freundlicherweise so, als würde sie keinen einzigen Blick darüber auf die Rosen und den Rasen werfen, während sie die niedrigen Minzebüsche, die verschiedenen Salbeiarten und die letzten hohen Borretschstengel betrachtete.
»Das hier muss Ihre fremdländische Minze sein«, sagte sie, bückte sich und rieb die gerüschte, wellige Oberfläche einer kräftigen, zart violetten Pflanze zwischen den Fingern. »Erscheint mir tatsächlich etwas zu stark für ganz normalen Tee.«
»Ich fand sie eigentlich zu penetrant
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