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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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führte. Dann stellte er sich zur Seite und ließ Mrs. Ali den Vortritt.
    »Und jetzt, genau in dem Moment, in dem man mich auffordert, darüber nachzudenken, wie und wo ich meinen nächsten Lebensabschnitt verbringen will«, fuhr sie fort, »hatte ich nicht nur das Vergnügen, mich mit Ihnen über Bücher zu unterhalten, sondern bin obendrein von Miss DeVere gefragt worden, ob ich ihr und ihren Freundinnen bei den Vorbereitungen für diesen Ball im Golfclub helfen würde?« Sie sprach die Aussage wie eine Frage aus, aber der Major hatte nicht die geringste Ahnung, was das zu bedeuten hatte und welche Antwort sie erwartete. Es drängte ihn, sie vor allen derartigen gesellschaftlichen Verstrickungen zu warnen.
    »Ja, die Damen sind unermüdlich«, erklärte er. Es klang nicht gerade wie ein Kompliment. »Viele, viele gute Werke und so weiter und so fort.« Mrs. Alis Lächeln bewies, dass sie ihn verstand.
    »Soviel ich weiß, haben Sie mich vorgeschlagen. Und Grace DeVere ist immer sehr höflich zu mir. Vielleicht ist das ja ein erster Einstieg in meine Teilnahme am Dorfleben. Eine Möglichkeit, tiefer Wurzeln zu schlagen.« Sie waren schon am Eingangstor angelangt; Garten und Straße lagen in fast völliger Dunkelheit. Bergab hing tief in einer Lücke zwischen den Bäumen ein einzelner orangeroter Lichtstreifen. Der Major spürte, dass Mrs. Alis Bindung an das Dorf denkbar schwach war. Noch ein wenig mehr Druck von der Familie ihres Mannes, noch eine weitere kränkende Bemerkung eines undankbaren Dorfbewohners, und sie würde womöglich ganz herausgerissen. Die meisten würden es nicht einmal bemerken. Und wenn doch, dann nur, um genüsslich darüber zu jammern, dass das mürrische Geschäftsgebaren ihres Neffen einmal mehr zeige, wie weit es schon gekommen sei. Sie zum Bleiben zu bewegen, einfach nur, weil es schön war, sie in der Nähe zu haben, erschien ihm zutiefst egoistisch. Den Umgang mit Daisy Green und ihrer Damentruppe konnte er unmöglich guten Gewissens fördern. Eher hätte er ihr die Mitgliedschaft in einer Gangsterbande anraten oder ihr empfehlen können, im Londoner Zoo über den Zaun des Eisbärengeheges zu springen. Sie sah ihn an, und ihm war klar, dass sie viel auf seine Meinung geben würde. Er spielte am Riegel des Gartentors herum.
    »Gut möglich, dass auch ich unbeabsichtigterweise meine Mitarbeit zugesagt habe«, begann der Major schließlich. »Offenbar habe ich der guten Grace meine Teilnahme an einem Probeessen zugesichert.« Er bemerkte, dass seine Stimme leicht gepresst klang. Mrs. Ali wirkte amüsiert. »Es ist eine große Hilfe für Grace, dass Sie sich bereit erklärt haben, Ihren Sachverstand zur Verfügung zu stellen«, fuhr er fort. »Ich muss Sie allerdings warnen: Das Übermaß an Enthusiasmus, das die Damen des Komitees auszeichnet, könnte verbunden mit völliger Unkenntnis zu ziemlich theatralischen Auswirkungen führen. Ich möchte unter keinen Umständen, dass man Sie in irgendeiner Weise kränkt!«
    »Wenn das so ist, werde ich Grace sagen, dass sie mit uns rechnen kann. Vielleicht können wir drei ja verhindern, dass das Reich des Moguls ein zweites Mal zerstört wird«, erwiderte Mrs. Ali. Der Major biss sich auf die Zunge. Während sie sich die Hand gaben und einander ein Wiedersehen versprachen, verkniff er sich die Bemerkung, dass Daisy Green seiner Überzeugung nach eine weit größere Gefahr für das Mogulreich darstellte als die Eroberungen der Rajputenfürsten und die Ostindien-Kompanie zusammen.

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    Neuntes Kapitel
    D as »Taj Mahal Palace« befand sich in einem ehemaligen Polizeirevier in der Mitte der langen Myrtle Street. Am Türsturz des Backsteinhauses war noch das eingemeißelte Wort »Polizei« zu lesen. Ein Teil davon wurde jedoch von einem Neonschild verdeckt, das in immer derselben Reihenfolge nacheinander die Wörter »Late Night – To go – Drinks« aufleuchten ließ. Ein blaues Martiniglas mit gelbem Schirmchen verhieß eine Eleganz, die dem Major ziemlich unglaubwürdig erschien. Auf einem großen, von Hand beschrifteten Schild standen der Name des Lokals sowie die Information, dass es dort einen Sonntags-Brunch,
halàl-
Fleisch und Räumlichkeiten für Hochzeitsfeiern gab. Um den Wagen rückwärts in die schmale Lücke zwischen einem Handwerkerauto und einem Motorroller lenken zu können, stützte der Major den Arm auf der Rückenlehne des Beifahrersitzes ab. Grace zuckte zusammen und errötete, als hätte er ihr die Hand auf den Schenkel

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