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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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›Gosht‹?«, fragte sie nun schon zum dritten Mal. »Und das da ist noch mal welches Fleisch?«
    »Ziege«, antwortete Mr. Rasool. »Ziegenfleisch ist die traditionellste Zutat.«
    »Ziegen-Gosht?« Grace konnte ihren Unterkiefer nur mit Mühe um die beiden Wörter herumsteuern. Sie blinzelte ein paarmal, als hätte man ihr eröffnet, dass sie gerade Pferdefleisch esse.
    »Aber Huhn ist auch sehr beliebt«, erklärte Mrs. Rasool. »Dürfen wir Ihnen noch ein Glas Punsch einschenken?«
    Beim ersten Glas Punsch, das Mrs. Rasool ihnen als eine leicht alkoholische Mittagserfrischung angeboten hatte, war dem Major ein hauchfeiner Wacholderduft in die Nase gestiegen. Das Getränk war in einem kunstvoll verschnörkelten Glaskrug serviert worden und enthielt Gurkenscheiben, Ananasstückchen und Granatapfelkerne. Doch Mrs. Rasools gekrümmter Finger beim Bestellen der zweiten Runde war wohl das Zeichen dafür gewesen, die Verhandlungen mit einem ordentlichen Schuss Gin zu schmieren. Die Gurkenscheiben hatte der Schock förmlich durchsichtig gemacht, und den Major selbst befiel ein großes Verlangen danach, umgeben vom Duft des Essens und dem schimmernden Licht der Seidenvorhänge einzuschlummern. Die Rasools und Mrs. Ali tranken ausschließlich Wasser.
    »Der Tradition meiner Eltern folgend, wird dieses Essen entweder in der Mitte des Tisches serviert oder als Büfett angerichtet«, sagte Mr. Rasool. »Auf einer großen Tonplatte mit ringsum angeordneten Beilagen in Silberschüsselchen – Sonnenblumenkerne, Kakifruchtscheiben und Tamarinden-Chutney.«
    »Ich weiß nicht – als Hauptgang ist es vielleicht ein bisschen zu scharf«, meinte Grace. Sie legte die Hände wie ein Megaphon um den Mund. »Was denken Sie, Major?«
    »Wer das hier nicht köstlich findet, ist schlichtweg ein Idiot«, sagte der Major und nickte Mrs. Rasool und Mrs. Ali heftig zu. »Aber dennoch …« Er wusste nicht recht, wie er seiner festen Überzeugung Ausdruck verleihen sollte, dass die Gäste des Golfclub-Balls einen Anfall bekämen, wenn man ihnen als Hauptgang ein Reisgericht statt einer dicken, hart gewordenen Scheibe Fleisch vorsetzte. Mrs. Rasool sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an.
    »Aber dennoch ist es vielleicht nicht ganz … idiotensicher, sozusagen?«, fragte sie. Dem Major blieb nichts übrig, als sich mit einem Lächeln andeutungsweise zu entschuldigen.
    »Das kann ich gut verstehen«, sagte Mrs. Rasool. Sie machte eine Handbewegung, und sofort eilte ein Kellner in die Küche. Die Musiker brachen ihre Darbietung abrupt ab, als hätte Mrs. Rasool auch sie gemeint, und folgten dem Kellner.
    »Jedenfalls ist es ein sehr, sehr interessanter Geschmack«, sagte Grace. »Wir wollen nicht heikel sein.«
    »Natürlich nicht«, erwiderte Mrs. Rasool. »Mit unserer etwas gängigeren Alternative sind Sie ganz bestimmt einverstanden.« Der Kellner kam im Laufschritt zurück und brachte einen Silberteller mit einem perfekt geformten einzelnen Yorkshire-Pudding an einer burgunderroten Sauce. In dem Pudding lag eine duftende Scheibe rosarotes Rindfleisch, daneben waren eine Portion mit Kumin gewürzte Kartoffeln und ein Salatblatt angeordnet, auf dem sich in Scheiben geschnittene Tomaten, rote Zwiebeln und Sternfrucht befanden. Während die Gäste das Gericht in verblüfftem Schweigen betrachteten, stieg von dem Rindfleisch ein winziges Dampfwölkchen auf.
    »Das ist perfekt«, hauchte Grace. »Sind die Kartoffeln scharf?« Der ältere Mr. Rasool raunte seinem Sohn etwas zu. Mrs. Rasool lachte schrill, fast zischend auf.
    »Überhaupt nicht. Ich gebe Ihnen Fotos, die können Sie mitnehmen«, sagte sie. »Dann wären wir uns also einig: die Hähnchenspieße, die Samosas und die Hähnchenflügel als Hors d’œuvres, dann das Rindfleisch, und als Dessert schlage ich Trifle vor.«
    »Trifle?« Der Major hatte sich Hoffnungen auf ein paar Dessertproben gemacht.
    »Eine von den erfreulicheren Traditionen, die Sie uns hinterlassen haben«, sagte Mrs. Rasool. »Bei uns wird Trifle mit Tamarindenmarmelade abgeschmeckt.«
    »Roastbeef und Trifle«, sagte Grace, völlig benommen vom Essen und vom Punch. »Und das ist alles authentische Mogul-Küche, ja?«
    »Selbstverständlich«, versicherte ihr Mrs. Rasool. »Alle werden sich glücklich schätzen, weil sie einmal essen dürfen wie Kaiser Shah Jahan, und keinem Einzigen wird es zu scharf sein.«
    Der Major konnte keinerlei Spott in Mrs. Rasools Tonfall entdecken. Sie wirkte völlig zufrieden

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