Mrs Murphy 02: Ruhe in Fetzen
brannte.
Tucker ließ Fitz’ Bein los und sauste zum Scheunentor, während Kugeln hinter ihr herflogen. Sobald sie sich aus der Scheune gezwängt hatte, schlich sie seitlich an dem Gebäude entlang. Tucker wusste nicht, was sie tun sollte.
Mrs Murphy, die vom Heuboden heruntergespäht hatte, rannte an die Seitenwand und lugte durch eine Ritze in den Brettern. »Tucker, Tucker, dir ist doch nichts passiert?«
»Nein.« Tuckers Stimme war kehlig und rau. »Wir müssen Mutter retten.«
»Sieh zu, ob du Tomahawk und Gin Fizz zur Scheune holen kannst.«
»Ich werd’s versuchen.« Die Corgihündin rannte zur Weide. Zum Glück hatte der Frost die Schneedecke gefestigt, sodass Tucker auf der Oberfläche laufen konnte. Ein paarmal sank sie in das Pulver ein, aber sie rappelte sich wieder hoch.
Simon saß neben Mrs Murphy und zitterte ängstlich.
Unten schlich Fitz zu den Boxen. Die Katze spähte wieder hinunter. Sie sah, dass er gleich unter der Leiter sein würde.
Harry rief: »Fitz, warum haben Sie die Leute ermordet?« Sie versuchte Zeit zu gewinnen.
Mrs Murphy hoffte, ihre Mutter könnte ihn hinhalten, denn sie hatte eine rettende Idee.
»Ben war unersättlich, Harry. Er wollte immer mehr.«
Während Fitz sprach, rückte Orlando, flach gegen die Wand gedrückt, näher zur Sattelkammertür.
»Warum haben Sie ihm überhaupt was bezahlt?«
»Tja nun, das ist eine lange Geschichte.« Er ging einen Schritt näher zur Heubodenluke.
Die keuchende Tucker erreichte Tomahawk zuerst. »Komm in die Scheune, Tommy. Da drin ist die Hölle los. Fitz-Gilbert will Mom umbringen.«
Tomahawk schnaubte, rief nach Gin, und sie stürmten zur Scheune. Tucker folgte ihnen, so gut sie konnte.
Drinnen hörte die Tigerkatze den Hufschlag. Die Pferdeweide lag an der Westseite der Scheune. Mrs Murphy sprang über Heuballen und rief durch eine Ritze in der Seitenwand: »Könnt ihr über den Zaun springen?«
Gin antwortete: »Mit unseren Außendecken geht das in dem vielen Schnee nicht.«
Simon rang seine rosa Pfoten. »Oh, es ist furchtbar.«
»Dann zertrümmert den Zaun. Macht so viel Lärm, wie ihr könnt, aber sammelt euch zuerst und zählt bis zehn.« Tucker holte die Pferde ein. »Tucker«, rief Mrs Murphy, »hilf ihnen bis zehn zu zählen. Geht’s? Langsam.« Sie drehte sich um und rief Simon über die Schulter zu: »Hilf mir, Simon.«
Das graue Opossum huschte, so flink es konnte, über Timotheusheu und Luzerne zu Mrs Murphy an der Südseite der Scheune. Überall flog Heu herum, als die Katze mit den Krallen an einem Ballen zerrte.
»Was machst du da?«
»Ich hol die Kletternatter. Sie ist im Winterschlaf und wird sich nicht um uns ringeln und zischen und beißen.«
»Aber sie wird aufwachen!« Simon hob die Stimme.
»Darüber mach dir später Gedanken. Komm, hilf mir, sie hier rauszukriegen.«
Simon wich zurück. »Ich fass sie nicht an!«
In diesem Moment sehnte sich Mrs Murphy nach ihrer Corgi-Freundin. Auch wenn Tucker in Mrs Murphys Gegenwart noch so oft griente und greinte, sie hatte die Tapferkeit eines Kriegers. Tucker hätte die Schlange ohne zu zögern gepackt.
»Harry hat so gut für dich gesorgt«, flehte die Katze.
Simon schnitt eine Grimasse. »Uff.« Er hasste die Schlange.
»Simon, wir dürfen keine Minute verlieren!« Mrs Murphys Pupillen waren so groß, dass Simon die herrliche Farbe ihrer Iris kaum sehen konnte.
Ein dumpfer, erstickter Laut über ihnen erschreckte sie. Die Eule ließ sich auf dem Heuballen nieder. Draußen konnte man die Pferde einen weiten Kreis beschreiben hören. In wenigen Sekunden würden sie den Bretterzaun bei der Scheune in Stücke schlagen. Die Eule befahl mit ihrer tiefen, opernhaften Stimme: »Geht zur Leiter, ihr zwei. Beeilt euch.«
Luzernenfetzen wehten in die Luft, als Mrs Murphy zur Luke wetzte. Simon, der nicht so flink auf den Beinen war, folgte ihr. Die Eule hüpfte herunter und schloss ihre mächtigen Klauen um die schlafende, 1,20 Meter lange Schlange. Dann breitete sie die Flügel aus und erhob sich in die Luft. Die schwere Schlange behinderte sie stärker, als sie erwartet hatte. Ihre kräftigen Brustmuskeln trugen sie, und ruhig glitt sie zu der Stelle, wo die Katze und das Opossum warteten. Sie ließ die Flügel zum Landen ausgebreitet, schlug sie einmal, um zu steuern, und landete dann sanft neben Mrs Murphy. Sie legte der Katze die benommene Schlange vor die Pfoten, öffnete dann ihre Flügel zu voller Spannweite und entschwebte aufwärts in ihren
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