Mrs Murphy 02: Ruhe in Fetzen
nicht von Sozialhilfe.
»Viel haben wir nicht herausbekommen«, seufzte Tucker. »Außer der Tatsache, dass er Geld hat.«
»Ein bisschen mehr wissen wir schon.« Mrs Murphy spürte einen Biss in der Schulter. Sie duckte sich erbost. »Er ist unabhängig und schuftet schwer. Er will, dass der Besitz anständig aussieht, und er will Pferde. Und es ist keine Frau in der Nähe, es scheint in seinem Leben überhaupt keine zu geben.«
»Das kann man nie wissen.« Tucker schüttelte den Kopf.
»Da ist keine Frau. Sonst würden wir sie riechen.«
»Ja, aber wir können nicht wissen, ob nicht eine zu Besuch kommt. Vielleicht bringt er hier alles auf Vordermann, um ihr zu imponieren.«
»Nein. Ich kann’s nicht beweisen, aber ich spüre es. Er will allein sein. Er hört besinnliche Musik. Ich glaube, er befreit sich von jemand oder von etwas.«
Tucker fand, dass Mrs Murphy voreilige Schlüsse zog, aber sie hielt den Mund, sonst hätte sie einen Vortrag über sich ergehen lassen müssen, wie mysteriös Katzen seien und dass Katzen Dinge wüssten, von denen Hunde nichts verstünden. Einfach zum Kotzen.
Auf dem Heimweg kamen die beiden am Friedhof vorbei. Der schmiedeeiserne Zaun, der das Gelände abgrenzte, war mit Lanzenspitzen gekrönt. Eine Seite war eingefallen.
»Lass uns reingehen.« Tucker lief hinüber.
Der Friedhof war fast zweihundert Jahre lang von den Jones und MacGregors benutzt worden. Auf dem ältesten Grabstein war zu lesen: CAPTAIN FRANCIS EGBERT JONES, GEBOREN 1730, GESTORBEN 1802. Einst hatte am Bach eine kleine Blockhütte gestanden, aber dann waren die Jones zunehmend wohlhabender geworden und hatten das Fachwerkhaus gebaut. Das Fundament der Blockhütte am Bach war noch erhalten. Auf den diversen Grabsteinen, kleinere für die Kinder, von denen zwei gleich nach dem Bürgerkrieg von Scharlach dahingerafft worden waren, waren Gravuren und Sprüche. Nach jenem entsetzlichen Krieg hatte eine Jones-Tochter, Estella Lynch Jones, einen MacGregor geheiratet, und so kam es, dass hier MacGregors begraben lagen, einschließlich der letzten Bewohner von Foxden.
Der Friedhof war seit Mrs MacGregors Tod nicht mehr gepflegt worden. Ned Tucker, Susans Ehemann und der Verwalter des Anwesens, hatte die Felder an Mr Stuart Tapscott verpachtet. Was er nutzte, musste er unterhalten, und das tat er. Der Friedhof jedoch barg die sterblichen Überreste der Familien Jones und MacGregor, und für die Pflege waren deren Verwandte zuständig, nicht Mr Tapscott. Der einzige Nachkomme, Reverend Herbert Jones, belastet mit kirchlichen Pflichten und einem schlimmen Rücken, war außerstande, das Gelände instand zu halten.
Es sah ganz so aus, als ob sich diese Dinge mit Blair Bainbridge ändern würden. Die umgekippten Grabsteine waren aufgerichtet, das Gras war gemäht, und neben Elizabeth MacGregors Grabstein war ein kleiner Kamelienstrauch gepflanzt. Es würde allerdings mehr als eine Person erfordern, den Eisenzaun aufzurichten und zu reparieren.
»Sieht aus, als hätte sich Mr Bainbridge auch hier zu schaffen gemacht«, bemerkte Mrs Murphy.
»Hier, das ist mein Lieblingsgrab.« Tucker blieb an der Gedenktafel für Colonel Ezekiel Abram Jones stehen, geboren 1812 und gestorben 1861, gefallen in der ersten Schlacht bei Manassas. Die Inschrift lautete: LIEBER STEHEND STERBEN ALS KNIEND LEBEN. Ein passender Spruch für einen gefallenen Konföderierten, der für seine Überzeugung bezahlt hatte; in seiner unbeabsichtigten Parallele zum Unrecht der Sklaverei aber auch ein ironischer Spruch.
»Mir gefällt dieser hier.« Mrs Murphy sprang auf einen viereckigen Grabstein mit einem eingemeißelten Engel, der Harfe spielte. Er zierte das Grab von Ezekiels Ehefrau Martha Selena, die ihren Mann um dreißig Jahre überlebt hatte. Die Inschrift lautete: SIE SPIELT MIT DEN ENGELN.
Die Tiere zogen nun nach Hause; keines erwähnte den kleinen Friedhof auf Harrys Farm. Nicht, dass die Grabstätte von Harrys Vorfahren nicht liebevoll und gut gepflegt wäre, aber da waren auch kleine Grabsteine für die geliebten Haustiere der Familie. Für Mrs Murphy und Tucker war das eine ernüchternde Aussicht, an die sie lieber nicht erinnert wurden.
Sie schlüpften so leise ins Haus, wie sie es verlassen hatten, und beide Tiere taten ihr Bestes, um die Tür zuzuschieben. Es gelang ihnen nicht ganz, sodass die Küche kalt war, als Harry um halb sechs aufstand. Katze und Hund mussten sich eine Flut unanständiger Wörter anhören, die sie zum
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