Mrs Murphy 02: Ruhe in Fetzen
Kichern brachten. Die Entdeckung, dass der Haken der Fliegentür verbogen war, rief einen weiteren Schwall von Schimpfwörtern hervor. Harry vergaß dies alles, als die Sonne aufging und der Osthimmel pfirsichfarben, golden und rosa glühte.
Diese so außergewöhnlich schönen Oktobertage und -nächte sollten Harry und ihren Freundinnen aus der Tierwelt noch zu schaffen machen. Alles wirkte so vollkommen. Niemand ist im Angesicht der Schönheit auf Böses gefasst.
3
»Nicht nur, dass er keine Angst hat, er ist einfach skrupellos.« Mrs Hogendobbers Altstimme vibrierte, als sie diese bedeutungsvolle Geschichte erzählte. »Ich war total erschüttert, als ich erfuhr, dass Ben Seifert, der Zweigstellenleiter unserer hiesigen Bank, unlautere Geschäfte macht. Er wollte mich doch tatsächlich überreden, eine Hypothek auf mein Haus aufzunehmen, das voll und ganz bezahlt ist, Mr Bainbridge. Er sagte, er sei überzeugt, es müsste renoviert werden. ›Renoviert? Inwiefern?‹, habe ich gefragt, und er fragte, ob mich eine moderne Küche und eine Mikrowelle denn nicht begeistern würden. Ich will keine Mikrowelle. Man kriegt Krebs davon. Dann kam Cabby Hall, der Direktor, in die Bank, und ich bin schnurstracks hin zu ihm. Hab ihm alles erzählt, und er hat Ben zur Rede gestellt. Ich erzähle Ihnen das bloß, damit Sie sich vorsehen. Wir sind hier zwar in einer Kleinstadt, aber unsere Bankleute versuchen genauso Geld zu verkaufen wie die Jungs in den großen Städten, Mr Bainbridge. Seien Sie auf der Hut!« Miranda musste innehalten, um Atem zu holen.
»Bitte nennen Sie mich doch Blair.«
»Und als Krönung des Ganzen kam dann der Chorleiter von meiner Kirche in die Bank marschiert, um mir mitzuteilen, dass er glaube, Boom Boom Craycroft hätte Fair Haristeen gebeten, sie zu heiraten, oder vielleicht war’s auch andersrum.«
»Er kriegt sie vielleicht auch anders rum.« Blair lächelte. Seine strahlend weißen Zähne ließen ihn noch attraktiver wirken.
»Ja, genau. Wie sich herausstellte, hatte es gar keinen Heiratsantrag gegeben.« Mrs Hogendobber faltete die Hände. Sie ließ sich nicht gern bei ihren Geschichten unterbrechen, aber sie erblühte unter Blair Bainbridges Aufmerksamkeit – und ihr war doppelter Genuss beschieden, denn Susan Tucker und Harry konnten sehen, dass Blair seinen schwarzen Transporter vor Mrs Hogendobbers Haus geparkt hatte. Natürlich würde sie mit ihm durch ihren Garten spazieren, ihn mit Tipps überschütten, wie man zu gigantischen Kürbissen kam, und ihn dann mit den Gaben ihres gärtnerischen Könnens beglücken. Sie könnte dabei vielleicht sogar etwas über ihn herausbekommen. Vor einiger Zeit hatte sich Mrs Hogendobber bei Ned Tucker ein paar Nummern des New York Magazine geliehen, wegen der Kreuzworträtsel. Nachdem sie Blair neulich kennengelernt hatte, war ihr eingefallen, weshalb ihr sein Name bekannt vorgekommen war: Sie hatte in einer der Zeitschriften etwas über ihn gelesen. Es war ein Artikel über eine Romanze in der Modebranche. Als Blair sich ihr vorstellte, konnte sie sich nur vage an die Geschichte erinnern. Sie hoffte, heute mehr über seine unglückliche Liebe zu einem schönen Model namens Robin Mangione herauszufinden, um die es in jenem Artikel gegangen war.
Die Türglocke läutete und machte ihr Vorhaben zunichte. Mrs Hogendobber öffnete, und Reverend Herbert Jones marschierte durch die Tür.
Dies ließ gleichsam die Milch in ihrem hervorragenden Kaffee gerinnen. Mrs Hogendobber wähnte sich im Wettstreit mit allen konkurrierenden Verkündern des Christentums. Der ehrwürdige Reverend Jones war Pastor der lutheranischen Kirche. Seine Gemeinde, größer als die ihre in der Kirche zum Heiligen Licht, spornte ihre Bekehrungsbemühungen nur umso mehr an. Die Kirche hatte früher Heiliglichtkirche geheißen, aber vor zwei Monaten hatte Miranda den Priester und die Gemeinde bewogen, sie in Kirche zum Heiligen Licht umzutaufen. Ihre Gründe, wenngleich stichhaltig, waren weniger überzeugend als ihr entnervender Enthusiasmus, daher der Namenswechsel.
Reverend Jones bekam eine Tasse Kaffee und frische Hörnchen serviert, und zu dritt setzten sie die Unterhaltung fort.
»Mr Bainbridge, ich möchte Sie in unserer kleinen Gemeinde willkommen heißen und Ihnen danken für die Instandsetzung meines Familienfriedhofs. Wegen Bandscheibenbeschwerden war ich nicht in der Lage, meinen Verpflichtungen gegenüber meinen Vorfahren so nachzukommen, wie sie es
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