Mrs Murphy 03: Mord in Monticello
ja nicht so weit«, sagte Harry.
Ansley senkte die Stimme. »Er plant jetzt schon das Thanksgiving-Essen für die Familie. Ich denke, das kommt von seiner Trauer. Wenn er nämlich alles plant, kann nichts schiefgehen, er hat die Kontrolle über die Realität – obwohl man meinen sollte, davon hätte er bei seinem Vater genug gehabt.«
»Es braucht Zeit.« Harry wusste das. Sie hatte vor einigen Jahren beide Eltern verloren.
Mrs Murphy, die sich auf den Hintern gesetzt hatte, stand auf und trabte zum Haus. »Sie lügt.«
»Da hast du recht.« Der Hund legte einen Moment die Ohren an, dann folgte er ihr. »Lass uns herumschnüffeln.«
Die zwei Tiere kamen zur Hintertür. Die Nase dicht am Boden, schnupperte Tucker angestrengt. Mrs Murphy verließ sich ebenso sehr auf ihre Augen wie auf ihre Nase.
Tucker nahm die Witterung mühelos auf. »Ich rieche Samson Coles.«
»Das ist es also.« Mrs Murphy spazierte zwischen den Tulpen herum. Sie liebte das Gefühl, wenn die Stängel ihr Fell streiften. »Sie muss sich ja unendlich langweilen.«
27
Die Ruhe in Eagle’s Rest ging Ansley auf die Nerven. Sie bereute, gesagt zu haben, dass sie die laute Musik der Jungen nicht vertragen konnte. So unerträglich die auch war, sie war immer noch besser als diese Stille.
Um sieben Uhr abends waren die Söhne gewöhnlich in ihren Zimmern und lernten.
Dass Breton und Stuart bei dem Lärm arbeiten konnten, faszinierte Ansley. Sie überboten sich gegenseitig mit den Dezibeln der diversen Bands. Am Ende hatte sie es so geregelt, dass Stuart in der ersten Lernstunde von sechs bis sieben seine Musik spielen durfte. Bretons Lieblingsbands kamen dann von sieben bis acht zum Zug.
Ansley und Warren überwachten die Einhaltung dieser sogenannten Studierzeiten. Breton und Stuart erzielten gute Noten, aber Ansley meinte, sie müssten wissen, wie wichtig ihre schulischen Leistungen auch für ihre Eltern waren, daher die Überwachung. Ansley sagte oft zu ihnen: »Wir haben unsere Arbeit zu tun, und ihr habt eure Schularbeit.«
Als sie die Stille schließlich nicht mehr ertrug, stieg Ansley die Wendeltreppe zum oberen Flur hinauf. Sie warf einen Blick in Bretons Zimmer. Dann ging sie in Stuarts Zimmer. Ihr Ältester saß an seinem Schreibtisch. Breton hockte im Schneidersitz auf Stuarts Bett. Bretons Augen waren gerötet. Ansley sah darüber hinweg.
»Hallo, Jungs.«
»Hi, Mom«, antworteten sie einstimmig. »Ist was?«
»Nein.« Wieder einstimmig.
»Oh.« Pause. »Irgendwie komisch ohne Big Daddy, der wegen eurer Musik rumbrüllt, was?«
»Er kommt nie wieder.« Breton atmete stockend. »Ich kann’s nicht glauben, dass er nie wiederkommt. Zuerst war es, als wäre er einfach nur in Urlaub gefahren, weißt du?«
»Ich weiß«, sagte Ansley mitfühlend.
Stuart, der normalerweise eine schlechte Haltung hatte, setzte sich zur Abwechslung gerade. »Wisst ihr noch, wie wir unsere Familiengeschichte aufgesagt haben?« Er imitierte die Stimme seines Großvaters: »Der erste Randolph, der seinen Fuß in die Neue Welt setzte, war ein Kamerad von Sir Walter Raleigh. Er ist in die alte Heimat zurückgekehrt. Sein Sohn, den die Geschichten über die Neue Welt angestachelt hatten, kam 1632 herüber, und so spross ein Zweig unseres Stammbaums diesseits des Atlantiks. Er hatte seine Braut mitgebracht, Jemima Hessletine. Ihr erstgeborenes Kind, Nancy Randolph, starb im Winter 1634 im Alter von sechs Monaten; das zweitgeborene, Raleigh Randolph, hat überlebt. Von diesem Sohn stammen wir ab.«
Ansley verschlug es vor Staunen den Atem. »Wort für Wort.«
Stuart lächelte matt. »Mom, wir haben es so gut wie jeden Tag gehört.«
»Ja. Ich wollte, ich könnte ihn noch mal hören – dabei finde ich diesen ganzen Stammbaumquatsch fürchterlich.« Wieder schossen Breton Tränen in die Augen. »Wen interessiert das schon?«
Ansley setzte sich neben Breton und legte ihm den Arm um die Schultern. Ihr war, als hätte er abgenommen, seit sie ihn das letzte Mal umarmt hatte. »Mein Herz, wenn du älter wirst, wirst du diese Dinge zu schätzen wissen.«
»Warum nehmen das alle so wichtig?«, fragte Breton unschuldig.
»Aus guter Familie zu sein ist in diesem Leben von Vorteil. Es öffnet einem viele Türen. Das Leben ist so schon schwer genug, Breton, also sei dankbar für diese Gnade.«
»Geh nach Montana«, riet Stuart ihm. »Da kümmert sich kein Mensch um so was. Deswegen hat Big Daddy wohl den Westen nie gemocht. Weil er sich nicht allen
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