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Mrs Murphy 03: Mord in Monticello

Mrs Murphy 03: Mord in Monticello

Titel: Mrs Murphy 03: Mord in Monticello Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Mae Brown
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Familie. Und macht sich da verdammt breit.«
    »Wie gesagt, der Bluttest kommt nächste Woche, aber Sie haben keine weiteren Krankheitssymptome. Sie haben einen schweren Schlag erlitten, und es wird eine Weile dauern, bis Sie wieder auf dem Damm sind.«
    »Aber wenn ich Leukämie habe wie Poppa?« Warren zog die Stirn in Falten, sein Tonfall wurde angespannt. »Diese Krankheit kann einen schnell umwerfen.«
    »Oder Sie können Jahre damit leben.« Larrys Stimme wurde sanft. »Man soll nicht ›aua‹ schreien, bevor es weh tut. Wissen Sie, Gedächtnis und Geschichte sind altersabhängig. Was Ihnen mit zwanzig von früher einfällt, ist vielleicht nicht dasselbe, an das Sie sich mit vierzig erinnern. Selbst wenn Sie sich ein ganz bestimmtes Erlebnis in Erinnerung rufen, sagen wir, Weihnachten 1968, wird sich diese Erinnerung mit der Zeit verändern und vertiefen. Erlebnisse sind etwas Emotionales. Nicht die Ereignisse müssen wir verstehen, sondern die Emotionen, die sie hervorrufen. Es kann unter Umständen zwanzig oder dreißig Jahre dauern, um Weihnachten 1968 zu verstehen. Sie sind jetzt imstande, das Leben Ihres Vaters als ein Ganzes zu sehen: Anfang, Mitte und Ende. Das verändert Ihre Sicht auf Wesley, und ich garantiere Ihnen, Sie werden jetzt auch sehr viel über Ihre Mutter nachdenken. Lassen Sie es einfach geschehen. Blockieren Sie es nicht. Dann wird es Ihnen besser gehen.«
    »Sie wissen alles über jeden, nicht, Doc?«
    »Nein« – der alte Herr lächelte –, »aber ich kenne die Menschen.«
    Warren blickte zur Decke, er kämpfte mit den Tränen. »Wissen Sie, woran ich auf der Fahrt hierher gedacht habe? So was Verrücktes. Ich habe mich erinnert, wie Poppa die Zeitung durchs Zimmer gepfeffert hat, als Reagan und seine Behörde 1986 die Steuerreform durchgesetzt hatten. Eine Katastrophe. Poppa hat getobt und geflucht, und er sagte: ›Das Schlafzimmer, Warren, das Schlafzimmer ist der letzte Ort, wo wir frei sein können, bis diese Scheißkerle sich ein System ausdenken, um auch noch den Orgasmus zu besteuern.‹«
    Larry lachte. »Wesley war einmalig.«

 
33
     
    Die zierlichen, von Monticello kopierten dreiteiligen Schiebefenster gingen auf einen Garten hinaus, der im Stil des englischen Landschaftsarchitekten Inigo Jones angelegt war. Die mit dunkelrotem Mahagoni getäfelte Bibliothek schimmerte wie von einem inneren Licht. Kimball saß an dem schwarzen, mit polierter Goldbronze verzierten Louis-quatorze-Schreibtisch, den Samson Coles’ Urururgroßmutter mütterlicherseits angeblich im Jahre 1700, als sie in Ost-Virginia lebte, aus Frankreich hatte herüberschaffen lassen.
    Die Tagebücher in eleganten, aber überaus individuellen Handschriften verfasst, strapazierten die Augen des Archäologen. Wenn er sich ein paar Schritte von den Dokumenten entfernte, sahen die Schriften beinahe arabisch aus – eine Sprache, die in ihrer geschriebenen Form von unübertroffener Schönheit ist.
    Lucinda, die perfekte Gastgeberin, stellte eine Kanne heißen Tee, echten Brown Betty, auf ein Silbertablett, dazu Scones und sündhafte Marmeladen und Gelees. Sie zog sich einen Stuhl neben Kimball und las ebenfalls.
    »Die Coles haben eine faszinierende Familiengeschichte. Und die Randolphs, die Familie von Jeffersons Mutter, natürlich auch. Man kann sich kaum vorstellen, wie wenig Menschen es noch Anfang des 18. Jahrhunderts gab und dass die Familien sich alle untereinander kannten. Sie haben auch untereinander geheiratet.«
    »Wussten Sie, dass die Menschen im Amerika der Revolution gebildeter waren als heute? Eine betrübliche Entwicklung. Die Siedler, ich meine, die im frühen 17. Jahrhundert, waren sehr gebildet. Diese Allgemeinbildung, ja Hochkultur, wenn Sie so wollen, zumindest was Literatur und Lebensart betraf« – er fuhr mit der Hand über den Schreibtisch, um seinen Standpunkt zu bekräftigen –, »muss den Menschen eine bemerkenswerte Stabilität gegeben haben.«
    »Man konnte nach Federkiel und Tintenfass greifen, einen Brief an eine Freundin in Charleston, South Carolina, schreiben und gewiss sein, dass alles verstanden wurde, was zwischen den Zeilen stand.« Lulu bestrich ein Scone mit Butter.
    »Lulu, was war Ihr Hauptfach?«
    »Englisch. In Wellesley.«
    »Ah.« Kimball hielt viel von der strengen Erziehung im Wellesley College.
    »Was konnte ein Mädchen zu meiner Zeit schon studieren? Kunstgeschichte oder Englisch.«
    »So weit liegt Ihre Studienzeit doch noch nicht zurück. Kommen Sie, Sie

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