Mrs Murphy 03: Mord in Monticello
übersehen.«
»Der Master von Monticello hat vielleicht nicht gewusst, was mit Medley los war oder wer den Mann umgebracht hat, aber ich gehe jede Wette ein, dass Martha es wusste, und deswegen hat sie Medley bei sich aufgenommen. Man hätte sie ohne Weiteres verkaufen können. Die Jeffersons hätten diese Sklavin loswerden können, wenn sie ihnen lästig geworden wäre.«
»Harry, die Jeffersons haben ihre Sklaven nicht verkauft.« Kimball hörte sich beinahe an wie Mim. Er irrte sich aber. Jefferson hatte seine Sklaven sehr wohl verkauft, aber nur, wenn er wusste, dass sie in gute Hände kamen. Jefferson hatte mit seiner Taktik mehr Rücksichtnahme gezeigt als viele andere Sklavenbesitzer, doch die Veräußerung von Menschen war schon einigen von Jeffersons Zeitgenossen gefühllos und gewinnsüchtig erschienen.
»Sie hätten sie weggeben können, nachdem Thomas gestorben war.« Mrs Hogendobber rutschte auf ihrem Stuhl hin und her; ihre Gedanken überschlugen sich. »Medley wurde von einer oder von beiden Töchtern beschützt. Martha und Maria.«
Kimball fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. »Warum?«
»Warum, warum.« Harry schrie beinahe. »Warum hat nicht ein einziges Familienmitglied vorgeschlagen, Sally und Betsey Hemings zum Teufel zu jagen? Mein Gott, man hat Jefferson wegen seiner angeblichen Affäre die Hölle heiß gemacht. Bedenken Sie, Kimball, auch wenn es zweihundert Jahre her ist, Politik bleibt Politik, und die Menschen haben sich erstaunlich wenig geändert.«
»Eine Vertuschung?« flüsterte Kimball.
»Ah« – Mrs Hogendobber hob den Zeigefinger wie eine Schullehrerin –, »nicht Vertuschung, sondern Stolz. Hätte man die Hemings, sagen wir, ›entlassen‹, wäre das ein Schuldbekenntnis gewesen.«
»Aber sie hier auf dem Hügel zu behalten hat doch den Klatschmäulern bestimmt erst recht Nahrung gegeben«, platzte Kimball frustriert heraus.
»Schon, aber Jefferson ist nicht darauf eingegangen. Wenn er schweigt, was können sie dann schon machen? Sie können Geschichten erfinden. Die Zeitungen heutzutage sind voll von solchen Mutmaßungen, die als Tatsachen verkauft werden. Aber Jefferson war ihnen mit seiner Gelassenheit überlegen, er hat ihnen einfach den Wind aus den Segeln genommen. Ich will damit sagen, er ist nie vor dem Feind in die Knie gegangen, und er hat bewusst die Entscheidung getroffen, die Hemings nicht zu feuern.«
»Harry, diese Sklavinnen kamen vom Landsitz seiner Mutter.«
»Ja, Kimball, na und?«
»Er war ein sehr anhänglicher Mensch. Als sein bester Freund Dabney Carr in jungen Jahren starb, hat Jefferson die Familiengruft für ihn angelegt, und dann hat er sich an sein Grab gelehnt und gelesen, um ihm nahe zu sein.«
Harry hob die Hände, als wollte sie um einen Waffenstillstand bitten. »Okay, okay, dann versuchen wir es mal so: Sallys und Betseys Mutter, Betty Hemings, war halb weiß. Sie war nicht wie die anderen Sklaven, denn ihr Vater war ein englischer Kapitän. Thomas Jefferson ließ Sallys und Betseys Brüder Bob und James 1790 frei. Mit Ausnahme einer weiteren Tochter, Thenia, die von James Monroe gekauft wurde, sind alle Hemings in Monticello geblieben. Sie standen in dem Ruf, tüchtige Arbeiter und intelligent zu sein. Sally kam nie frei, aber Jefferson ließ ihre Tochter 1822 gehen. Das entnehme ich zumindest diesen Papieren.«
»Das weiß ich alles«, sagte Kimball gereizt.
»Ich nicht.« Mrs Hogendobber machte Harry ein Zeichen fortzufahren.
»Jefferson verfügte, dass Sallys Söhne Madison und Eston nach Vollendung ihres 21. Lebensjahres freigelassen werden sollten. Das hätte er bestimmt nicht getan, wenn er nicht sicher gewesen wäre, dass sie sich auch so ihren Lebensunterhalt verdienen konnten. Sonst wäre es grausam gewesen, sie in die Welt zu schicken, stimmt’s?«
»Stimmt.« Kimball ging auf und ab.
»Und die Liebhaber von Sally und Betsey waren vielleicht gar nicht die Brüder Carr. Die Sklaven sagten, dass John Wayles Sally zu seiner, wie soll ich sagen, Lebensgefährtin machte, nachdem seine dritte Frau gestorben war, und dass Sally sechs Kinder von ihm hatte. John Wayles war Martha Jeffersons Bruder, T.J.s Schwager. Jefferson hat für jedes Mitglied seiner Familie die Verantwortung übernommen. Er hat Martha über alles geliebt. In diesem Licht ergibt seine Fürsorge einen Sinn. Andere sagten freilich, John Wayles sei der Liebhaber von Betty Hemings gewesen, dann wären Sally und Betsey Marthas Cousinen. Wir werden es
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