Mrs Murphy 04: Virus im Netz
Nase gefolgt. Der Gestank war überall so stark, dass ich ihn zuerst nicht orten konnte. Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich die Kinder ferngehalten. Leider haben einige die Leiche gesehen. Das wollte ich nicht – ich hätte ihnen gesagt, es sei ein totes Reh.«
Rick legte dem jungen Mann den Arm um die Schultern. »Ein ziemlicher Schock. Es tut mir leid.«
»Die Kinder, die das gesehen haben – ich weiß nicht, was ich ihnen sagen soll. Sie werden noch wochenlang Albträume haben.«
Cynthia sagte: »Es gibt eine Menge guter Therapeuten hier in der Gegend, die Erfahrung darin haben, Kindern über ein Trauma hinwegzuhelfen.« Sie verschwieg, dass die meisten Therapeuten nie in so enge Berührung kommen mit dem nackten Leben oder vielmehr dem nackten Tod.
Nachdem sie das Gelände um den Leichnam abgeriegelt hatten, warteten Cynthia und Rick auf ihre Mannschaft. Calvin ging wieder zu den Schülern auf dem Parkplatz.
Rick lehnte sich an eine große Eiche und zündete sich eine Zigarette an. »Ist lange her, seit ich so was zuletzt gesehen habe. Ein regelrechter Würmerhamburger.«
»Der ganze Rücken ist weggeschossen. Eine .357er Magnum?«
»Größer.« Rick schüttelte den Kopf. »Muss einen lauten Knall gegeben haben.«
»Die Leute ballern doch dauernd mit Schießeisen in der Gegend herum.« Cynthia schnorrte eine Zigarette von ihrem Chef. »Auch wenn keine Jagdsaison ist.«
»Ja, ich weiß.«
»Noch ein paar Tage, und die Tiere hätten wohl die Arme abgerissen, und die Beine auch. Wenigstens ist die Leiche intakt.«
»Hoffen wir, dass uns das weiterhilft.« Er blies eine blaue Rauchwolke aus, was sich beruhigend auf ihn auswirkte. »Wissen Sie, hier hat es früher mal Schwarzbrennereien gegeben. Klares Bergwasser. Einfach ideal. Die Kerle hätten einen glatt abgeknallt. Die Hanfanbauer haben da subtilere Methoden. Hier auf alle Fälle.«
»Hier ist weit und breit keine Brennerei – glaub ich wenigstens nicht.«
Rick schüttelte den Kopf. »Nicht mehr, seit Sugar Hollow für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Haben Sie das Zeug je getrunken?«
»Nein.«
»Ich schon, ein einziges Mal. Brennt wie der Teufel. Heißt ja nicht umsonst ›heiße Ware‹.« Er sah über die Schulter zu der Leiche. »Bin neugierig, in was wir da reingeraten sind.«
»Schätze, das werden wir herausfinden.«
»Könnte eine Weile dauern, aber Sie haben recht. Jedes Mal, wenn ein Mord geschieht, hoffe ich, dass es ein Einzelfall ist und nicht der Anfang von … Sie wissen schon.«
Sie wusste, er meinte einen Massenmörder. Bislang war so etwas in ihrer Gegend noch nicht vorgekommen. »Ich weiß. Oje, da kommen Diana Robb und die Mannschaft. Wenn Diana mich rauchen sieht, kriege ich einen Grundkurs in Gesundheit verpasst.« Cynthia trat flugs ihren Zigarettenstummel in der weichen Erde aus.
»Würde das was nützen?«
»Aber sicher – bis zur nächsten Zigarette.«
10
Ein feuchter Wind blies von den Bergen. Harry ruckelte und zuckelte auf Johnny Knatterton. Der Dungstreuer wendete und warf Holzspäne und Mist aus. Die Sonne sah aus wie auf die Bergspitze gesteckt, die Schatten der Eichenreihe wurden länger. Sonnenaufgang und Sonnenuntergang waren Harry die liebsten Tageszeiten. Und heute erfüllte der süße Duft ihres roten Klees die Luft und bereicherte den Sonnenuntergang. Harry baute auf ihren Feldern Alfalfa, roten Klee und Timotheusgras an. Das brachte ihr gewöhnlich eine sehr gute Heuernte ein.
Katze und Hund schliefen im Stall. Ein voller Arbeitstag im Postamt hatte sie erschöpft. Tucker hörte einen schweren Wagen in der Einfahrt knirschen. Sie sprang hoch und weckte Mrs Murphy.
»Wer ist das?« Tucker wetzte nach draußen.
Blair Bainbridges Kombi kam in Sicht. Blair hielt an und sprang heraus, beschattete mit der Hand die Augen, erspähte Harry und sprintete aufs Feld.
»Komisch«, sagte Tucker bei sich. »Sonst sagt er uns immer Hallo.«
Mrs Murphy, die in der Türöffnung lag und gähnte, antwortete auf Tuckers unausgesprochenen Gedanken: »Vielleicht ist ihm klar geworden, dass er in Mom verliebt ist.«
»Sei nicht so sarkastisch.« Tucker setzte sich, stand auf, setzte sich hin, stand endgültig auf und trottete zum Traktor.
Mrs Murphy wälzte sich auf die andere Seite. Sie hatte keine Lust, sich vom Fleck zu rühren. »See you later, Alligator.«
Tucker raste Blair nach, holte ihn ein und fegte an ihm vorbei.
Als Harry die beiden sah, stellte sie den Motor ab. Bei Johnnys
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