Mrs. Pollifax macht Urlaub
nieder,
und weitere Täßchen Kaffee wurden verteilt. Der Scheich trat
ein, um jeden Gast höflich zu begrüßen und Mrs. Pollifax als
Assayida Pollifax und Farrell als Assayed Farrell vorzustellen.
Auch Josef kam nun herein, wurde herzlich begrüßt und auf
arabisch ausgefragt. Fröhliches Lachen erklang, Pfeifen wurden
angezündet, und es herrschte eine warme, herzliche
Atmosphäre. Dann begann das Festmahl. Riesige Schüsseln gehäuft voll mit Reis und Lammstücken, von denen Öl troff, wurden aufgetischt; alles sollte mit den Fingern gegessen werden. Mrs. Pollifax vermißte zu ihrer Erleichterung die Schafsaugen. Diesem üppigen Mahl folgte sehr süßer Tee und
ein ernstes Gespräch.
Josef wandte sich Farrell und Mrs. Pollifax zu und übersetzte.
»Sie reden von Hanans Wunsch, Ihnen morgen von Awad das
versunkene Fort zeigen zu lassen. Das gefällt meinem Großvater
nicht, denn erst vor einem Monat suchte einer von seinen Leuten
in der Wüste nach vier verschwundenen Ziegen. Er fand sie,
entdeckte dabei jedoch etwas Erschütterndes: mehrere Männer,
die sich in der Wüste verirrt hatten und von denen einer bereits
verdurstet war. Die anderen waren dem Tod nahe, konnten aber,
Dank sei Allah, noch gerettet werden. Mein Großvater fragt, wie
alt Awads Kleinlaster ist und in welchem Zustand. Er hat große
Achtung vor Awad, aber die Wüste ist grausam, und Sie sind
seine geehrten Gäste, für deren Sicherheit er verantwortlich ist.« »Wir sollen also den Ausflug nicht machen?« fragte Farrell. Josef hob die Hand und hörte zu. »Ah, mein Großvater sagt,
daß Argub al-Saidai den Wagen Awads erst gründlich
inspizieren muß. Und er sagt, daß Awad die Wüste kennen mag
wie seine Westentasche, und Kamele ebenfalls, aber mit
Maschinen kennt er sich nicht aus.«
Mrs. Pollifax lächelte. »Ihr Großvater macht sich Sorgen, wie
jeder gute Vater es tut.«
»Und er ist sehr weise«, fügte Josef hinzu. Eine Zeltklappe
wurde geöffnet, und ein junger Mann trat ein. In der rechten
Hand trug er einen Gegenstand, der wie eine dünne
Lederschatulle an einer Stange aussah. Offenbar war er erwartet
worden, denn alle begrüßten ihn herzlich und wortreich. Josef
erklärte lächelnd: »Er wird auf seiner Rababa Musik für uns
machen.« Als der junge Mann eingetreten war, hatte Farrell
hinter ihm einen Blick auf den Himmel erhascht. Mit einem höflichen Lächeln stand er auf und entschuldigte sich: »Ich möchte gern den wundervollen Sternenhimmel betrachten. Vielleicht finde ich ja die Milchstraße und, wer weiß,
möglicherweise auch den Polarstern.«
»Vielleicht sehen Sie einen Shibah eine Sternschnuppe«,
sagte Josef, »ein Geschenk Allahs.«
Als Farrell gegangen war, fühlte sich Mrs. Pollifax ein wenig
einsam, und die Musik des jungen Mannes trug nicht gerade
dazu bei, dieses Gefühl zu vertreiben. Er beugte sich über seine
einsaitige Rababa und fing zu singen an. Es klang sehr
melancholisch, und er sang das Lied mit lauter, leicht näselnder
Stimme. Josef übersetzte es für sie.
»Bei der Sonne und ihrem Glanz
Und dem Mond, wann er ihr folgt Und dem Tag, wann er sie enthüllt
Und dem Himmel und was ihn erbaute:
Laßt uns die Tage des Frühlings besingen
Und nicht die Nächte des kalten Winters.
Wenn das Lied des Tages zu Ende ist
Dann endet auch unser Leben.
Die Sonne versinkt im Land des Westens * Und der Herr des Morgengrauens wartet.«
Ja, ausgesprochen melancholisch, dachte Mrs. Pollifax. Ein
Tablett mit honiggetränktem Gebäck wurde herumgereicht. »Baqlawa«, flüsterte Josef, doch Mrs. Pollifax achtete nicht
darauf, denn die Zeltklappe wurde wieder hochgeschlagen, und
sie hoffte, Farrell käme zurück. Aber es war ein Beduine, fast
vermummt in schwerer Kleidung, der zurückhaltend eintrat und
sich zu ihnen setzte. Der Scheich warf eine Handvoll
getrockneten Dung auf das Feuer, und die plötzliche Helligkeit beleuchtete den Kreis von Gesichtern um sie besser. Über das Feuer hinweg trafen ihre Augen die des Mannes, der so unauffällig eingetreten war. Er starrte sie stirnrunzelnd und grübelnd an, und das war für sie ein Grund, ihn eingehend zu betrachten. Sein Gesicht wirkte wind- und wettergegerbt und dunkel im Feuerschein. Es war glatt rasiert mit seltsamen
weißen Haut flecken an jedem Wangenknochen.
Sie lächelte ihn höflich an, ehe sie sich von ihm abwandte,
denn der Scheich hatte zu ihr gesprochen. »Entschuldigung. Wie
bitte«, aber sie beobachtete, wie der Neuankömmling aufstand
und das Zelt wieder
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