Muckefuck
und mit elastischen Bändern am unteren Panzerrand befestigt, und so fort, bis Minnamartha tagbereit das Schlafzimmer verließ.
Hinter ihr, an der Wand über den beiden Betten, schaute ein ebenfalls stattlicher Engel auf einer Reproduktion nach Rubens aus schwerem Goldrahmen: Ein fixiertes Abbild dessen, was soeben das Morgenlicht in diesem Schlafzimmer erspäht hatte, in herrlicher Bewegung, atmend.
Eine gute Stunde später, das Läutwerk ihrer Schürzentaschenuhr hatte schon mehrere Male angeschlagen, beschloss der Rubensakt vom Bettrand, der atmende, beschloss Minnamartha vielleicht, ihr Menschlein an die Hand zu nehmen, um es in die große Stadt zu führen. Auf schnurgerader, kilometerlanger Straße riss sie mich, handhaltend, zum Vorortbahnhof. Schräg aufwärts blickte ich, sah in Verlängerung meines Körpers einen Säulenarm, nackt im Sommer, weil dieses Jahr die Berliner Hausfrau im Modeteil ärmellose Kleider vorschlug. So, als hätte nie einer ihrer Redakteure einen strotzenden Rubensakt gesehen.
Sie riss mich die Treppe zum Bahnsteig hinauf, viele Stufen, durch die Sperre hindurch. Stopfte mich ins Abteil des Dampfzuges. Harte Holzbänke. Ich roch den Duft von Toilette und Lokomotive. Eine 1-B-1 nur, also mit lediglich zwei großen Triebrädern, während die D-Zug-Loks deren vier haben, aber immerhin: Es war eine Lokomotive. Sie zog sechs oder sieben oder (mit Gepäckwagen) acht grüne, rußgeschwärzte Waggons stadteinwärts, an Kohlenlagerplätzen, Baumschulen und hohen Mietshäusern vorbei, von deren Wänden oft die strahlend weiße Persildame lächelte:
Sie rief mir Wanda Puvogel ins Gedächtnis, die zweite lebende Riesendame meines Daseins. Manchmal blätterten Putz und grüner Hintergrund ab, und die Persildame lächelte zwischen grauen Flecken, die wie Ausschlag oder Räude aussahen.
Wir fuhren acht oder neun Stationen, zwischen geschäftigen Mitreisenden, falls wir früh aufgebrochen waren, oder allein im Abteil zu späterer Stunde, wenn, wie Ede vorwurfsvoll meinte, die Faulen sich auf den Weg machten.
Waren wir faul? Minnamartha? Ich weiß es nicht. Ihrer Körperfülle entsprechend, die sie übrigens auch in Notzeiten fast immer bewahrte, habe ich sie in Lehnstühlen und auf Chaiselongues lagernd in Erinnerung, umgeben von Zeitungen und angebrochenen Konfektschachteln. Aber ihre eigenen Berichte ließen mich glauben, dass nur durch immense Tüchtigkeit ihrer selbst der Wohlstand in unserer Laube blühte. Einer Laube, die eben, davon war ich ja auch überzeugt, besser war als alle anderen in der Kolonie Tausendschön.
Acht oder neun Stationen. Dann packte Minnamarthas Hand wieder zu. In einem trappelnden Menschenstrom riss sie mich zwanzig Granitstufen hinunter, aus der gläsernen, rußigen, halbdunklen Bahnhofshalle hinaus in gleißendes Licht und tobenden Verkehrslärm. Hupende Autos umkreisten den weiß gekleideten Verkehrsschutzmann auf rot-weiß gestreiftem Turm, wurden durch energische Bewegungen seiner Hand in diese oder jene Nebenstraße gescheucht oder plötzlich angehalten, damit wir, durch eine schmale Gasse, die zwischen den Autos frei wurde, den Platz überqueren konnten. Hinter uns schloss sich der Autostrom sofort wieder.
Hinter mich blickend, sah ich hoch oben an einem Dachfirst drei Mohren drei verschiedene Schokoladensorten ins Nichts tragen, und gegenüber an einem anderen Dach liefen Leuchtbuchstaben in fliegender Eile, von einer Seite zur anderen. Ich freute mich auf den Abend, wenn Mohren und Schrift deutlicher zu sehen sein würden als jetzt am hellen Vormittag oder Mittag. Glatt und heimtückisch waren die Gehsteigplatten unter den Ledersohlen meiner Ada-Ada-Schuhe, meiner Stiller- oder Leiser-Sandalen. An gluckenhaften Blumenfrauen vorbei, die unter verwaschenen Sonnenschirmen hockten, erreichte ich, gezerrt und gezogen, das messingprunkende Portal zum Paradies, den Eingang zum Warenhaus.
Zum zweiten Bild hier, auf meinem Weg zur Saarfeier, so deutlich, als sei es auf eine riesige Leinwand projiziert (ich sah alles schwarz-weiß), gehörte der gemeinsame Besuch des innersten, prächtigsten Tempelraumes im Kaufpalast, der Damentoilette. Hier herrschten Mahagoni, Spiegelwände und Marmor vor, und eine weiß gekleidete ältere Dame wischte die Klosettbrille.
Ein Augenblick ohne Minnamarthas Hand. Denn sie brauchte diese und die andere, die sich vom Handtaschenbügel löste, um faltige, weiße Hosen die Schenkel hinabzuschieben, halb hintenüber gebückt, den
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