Muckefuck
Erbsensuppe, dampfend, brühheiß, in Blechnäpfen und Armeekochgeschirren, von denen die Farbe blätterte. Jeder einen Schlag. Und, wer wollte, einen Nachschlag! Ich wollte.
Dann die Sensation: zu den Männern, die Suppe schlürften, trat eine große Gestalt in feldgrauer Husarenuniform, dem ruhmbedeckten Anzug von Vierzehn: Prinz Eitel Friedrich, Kaiserliche Hoheit, einst Kommandeur des Regiments! Die Veteranen nahmen Haltung an, Löffel senkrecht zur Erde, Geschirr in der linken Hand. »Name?«, fragte der Prinz, und Ede meldete: »Kaiser, Eduard, zweite Leib, Kaiserliche Hoheit!« Der graue Mann beugte sich zu mir herunter, sagte: »Will wohl auch mal Husar werden, wie? Muss aber noch ein paar Schläge Erbsen auslöffeln!« Die Veteranen lachten pflichtschuldig munter. Auch ich verzog den linken Mundwinkel. Der graue Prinz schritt zur Gulaschkanone, ließ sich einen Schlag Erbsen reichen, und verzehrte ihn, den Löffel in der behandschuhten Hand, im Kreise seiner alten Husaren. Oberst Saske stand mit Dienstgesicht daneben. Seine Miene drückte aus, dass er für die Suppe die volle Verantwortung übernahm. Der Koch schwitzte.
»Vater«, fragte ich, »was ist zweite Leib?«
»Die Schwadron, Junge«, flüsterte Ede über den Suppendampf hinweg. Hoheit löffelten aus, kamen noch einmal zurück, legten Ede jovial die Hand auf die Schulter:
»Kaiser, sagten Sie? Welche Reserve?«
»Zu Befehl, Hoheit, Reserve neunzehnhundertacht.«
Hoheit lächelte: »Ist mal gut, dass wir immer noch einen Kaiser haben!«
Auch dieser Witz, aus dem Munde eines Sohnes von Wilhelm zwei höchstpersönlich, wurde gebührend belacht. Sozusagen dröhnend. Auch Ede dröhnte, bekam Zigarre mit Bauchbinde überreicht. Ede steckte den Balken nicht an, sondern versorgte Hoheits Luxusbönicke in seine Zigarrentasche, wo sie bis zum Ende dieses herrlichen Tages ruhte, um dann ins Vertiko oben links zu wandern. Da wartete bereits eine Zigarette mit Strohmundstück aus dem Besitz des Kronprinzen auf entsprechende Gesellschaft.
Noch aber war Döberitz. Militärmusik schmetterte, spielte den Hohenfriedberger, den Preußischen Defiliermarsch Nummer eins, und die Schützenpanzer rasselten über märkisch dürres Gras, Platzpatronen verschießend, die kleine blaue Wölkchen zurückließen. Ede hatte mich vergessen, tauschte Erinnerungen aus über die Einnahme von Üsküb, auch Skopje genannt.
So war Ede. Ede, dessen Hasenbrot ich aß, wenn er abends aus seinem Taxenkontor heimkam, Ede, der mich zweimal mit seinem breiten ledernen Leibriemen versohlte, mir einmal aus dreißig Meter Entfernung wohlgezielt eine halbe Presskohle an den Kopf warf und mich so wegen Ungehorsams fernbestrafte, – Ede, der den mit dem Schnurrbart Mistvieh nannte. Aber hier stand er stramm. Richtete den Blechlöffel zur Hosennaht hin aus, schonte hoheitliche Zigarren und trug, potsdamisch ergeben, das Kyffhäuserabzeichen am blauen Veteranenrock. Sang mit prachtvoller Stimme das Lied von den Kameraden, die sich aufs Pferd schwangen.
Eines Tages gerieten wir in eine Zwangslage, weil neue Gesetze den Nachweis einer lückenlosen Ahnenkette verlangten. Und irgendwo, leider, befand sich da eine Lücke. So zog Minnamartha mir eine Rüschenbluse an und grüne Hosen, ließ mir die Ponys stutzen und führte mich ins fotografische Atelier. Viele Treppen waren zu erklimmen. Im Vorzimmer mit hellen Landhausmöbeln lagen Alben auf, Posen anbietend für Einzel- und Familienfotos. Herren stützen behandschuhte Hände auf kleine Tische. Damen saßen, Dutt oben auf dem Scheitel, kerzengerade in Lehnstühlen. Studenten gruppierten sich in vollem Wichs mit langen Pfeifen, vorn lagerten zwei auf ihren Ellbogen, und in der Mitte zeigte ein Wappenschild, dass es sich um Akademiker der Vereinigung Frankonia handelte. Wir aber, wir wollten Bestimmtes. Kopf im Halbprofil nämlich, zumNachweis, dass kein Ohrläppchen angewachsen war, was immerhin auf unerwünschte Abstammung hingewiesen hätte.
Der Meister, im dunklen Anzug, führte uns unters Glasdach seines Ateliers, probierte Hintergründe, setzte mich auf einen Drehschemel. Legte Platten in den altmodischen Apparat ein. Unters schwarze Tuch verschwand der Operateur, verweilte dort merkwürdig lange. Dann aber kroch er wieder hervor, und mit der Hand auf jene Stelle deutend, wo ein ledernes Käppchen das Objektiv verschloss, behauptete er, dort komme ein Vögelchen heraus. Minnamartha lächelte mir ermutigend zu. Es kam kein Vögelchen, als der
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