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Muckefuck

Muckefuck

Titel: Muckefuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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Laienhelferin.«
    »Laienhelferin! Sie meinen mit Verbänden und Schienen?«
    »Exakt, exakt!«, sagte Kutschke. »Morgen um sechzehn Uhr erster Kursus. Sie nehmen doch sicher teil?«
    So kam es, dass Minnamartha nun den Kornährenverband übte, und die Handhabung des keimfreien Verbandpäckchens mit rosa Wundauflage, dass sie Kramerschienen bog, Kinn- und Nasenschleudern anlegte, und vorgeblich lädierte Extremitäten in Dreieckstücher band. Zu Tante Lizzi marschierte Minnamartha, holte sich dort die Volksgasmaske, VM 37, für eine Gebühr von RM 5,-.
    »Du kannst auch einen Bedürftigkeitsantrag stellen«, sagte Lizzi. »Dann kostet die Gasmaske nur fünfzig Pfennige.«
    »Danke«, sagte Minnamartha. »Ich zahle voll.«
    Die VM 37 trug Minnamartha nun am Riemen schräg über der Schulter. Auf dem Luftschutzwagen fand ein rotes Köfferchen Platz mit ihrer Sanitätsausrüstung. Denn eine Laienhelferin musste allzeit bereit sein.
    Seit diesem Aufstieg Minnamarthas war Blockwart Kutschke uns ein Freund geworden. Jedenfalls von ihm aus gesehen. Kutschke traute uns nicht über den Weg. Überdies hatte er wahrscheinlich Ede im Verdacht, BBC zu hören. Der Feindsender mit dem Paukenklopfzeichen verbreitete üble Propaganda der Plutokraten auf den britischen Inseln. Sein Abhören wurde mit Konzentrationslager bestraft.
    Ede hörte trotzdem BBC. Samt Radio verbarg er sichunter einem Pferdewoilach, einer grauen Decke, und vergaß auch nicht, nach dem Abhören die Skala wieder auf Deutschlandfunk zu drehen, denn es war ein beliebter Trick der Schnüffler, unauffällig in den Wohnungen die Sendereinstellungen zu kontrollieren.
    Kutschke unternahm in Abwesenheit Edes einen Frontalangriff. Wieder kam er zu Großmutter in die Küche, schlug vor:
    »Ob wir nicht in Ihrem Luftschutzkeller einen Drahtfunkempfang einrichten können? Zum Abhören der Luftlage?«
    Großmutter zuckte mit den Achseln. »Meinetwegen bauen se da unten ein Kriegerdenkmal«, sagte sie. »Bitte bedienen Sie sich!«
    »Jawoll«, schnarrte Kutschke, und trat rückwärts ab.
    Kutschke rückte eine halbe Stunde später wieder an, einen Volksempfänger und eine Papierrolle unter dem Arm. Werkte im Keller, schloss den Drahtfunk ans Telefonkabel und befestigte die Papierrolle, einen Lageplan, über dem Volksempfänger an der Wand.
    Ein Teil Großdeutschlands war abgebildet, überzogen von einem Netz von Quadraten, jedes mit Koordinatenbuchstaben bezeichnet. Dieses Netz diente der Überprüfung der vom Drahtfunk durchgegebenen Luftlagemeldungen.
    »Ihr werdet sehen, wie uns das hilft«, erklärte Kutschke mir. »Seit der Führer auch mit Amerika im Krieg liegt, ist die Heimatfront wichtig.«
    Großmutter, die mit in den Keller gestiefelt war, um sich die Neuerungen anzusehen, fragte: »Wie?« Durch ihre Schwerhörigkeit hatte sie nicht alles mitbekommen.
    »Die Heimatfront«, brüllte Kutschke.
    Großmutter nickte.
    »Die Terrorbomber«, brüllte Kutschke weiter. »Wenn sie Reichsgebiet anfliegen, wissen wir jetzt, wo sie sind.«
    »Wie schön«, sagte Großmutter. »Trinken wir ’nen Kirschenschnaps!«
    Kutschke hob das Glas an die Brust. »Auf den Endsieg«, sagte er. Großmutter tippte sich an die Stirn und watschelte aus dem Heldenkeller.
    Kutschke und ich standen uns verlegen gegenüber. Kutschkes Stirn zierte ein roter Druckstreifen vom Stahlhelm. Er setzte das Glas ab. »Sie hält wohl nicht viel von mir?«
    Ich rückte an meinem Koppel. »Wissen Sie«, parlierte ich erwachsen, »in dem Alter …«
    Kutschke stimmte mir zu. »Na klar«, sagte er. »In dem Alter. Hat ja auch allerhand durchjemacht, die Frau. Aber ihre Heimat haben wir wiedererobert. Den Korridor.«
    Kutschke zog sich einen Stuhl heran, hockte sich vor den Volksempfänger und schaltete den Drahtfunk ein, der sofort zu ticken begann. Und damit hatte Kutschke, mittelbarer Eroberer des Korridors, Kämpfer an der Heimatfront und gesinnungstreuer Kirschenschnapsgenießer, seine neue Aufgabe gefunden. Grau gekleidet, in Hockstellung vor dem Drahtfunk, tief im Keller, verkörperte er den nächsten Abschnitt unserer heldischen Zeit, die nun vornehmlich unter der Erde stattfand.
    Ede war außer sich, als er entdeckte, dass Kutschke bei uns Dauerstellung bezogen hatte. »Euch Trottel darf man keinen Tag allein lassen«, sagte er. »Wie könnt ihr diese Ratte ins Haus nehmen?«
    Kutschke integrierte auch Ede in seine Luftverteidigungspläne. »Entschuldigen Sie«, sagte er demütig, »wir müssen den

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