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Muckefuck

Muckefuck

Titel: Muckefuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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Frischwasserpumpe das mit Schleierschwänzen und Black Mollies besetzte Lehraquarium, Ebenbild jenes, das Rabumm einst ausgesoffen hatte. Weiße Bläschen strömten vom Grund des Beckens zur Wasseroberfläche. Die amphitheatrisch ansteigenden Bankreihen wirkten im Halbdunkel wie Festungswälle.
    Letzte Station des Kontrollganges war die Turnhalle, in der es nach Schweiß, Leder und schlechtem schwarzen Wachs roch, wie es die sparsamen Schulverwaltungen auch jetzt noch verwenden, ohne daran zu denken, dass sie über den Weg der Geruchsorgane Tausenden von Jungen und Mädchen die Freude an der Schule verderben. Wir kehrten zurück in das Klassenzimmer und erwarteten den Morgen.
    Bald wurden wir zu größeren Einsätzen kommandiert. Eines Tages erklärte uns ein Stammführer angesichts der durch Bomben zur Teilruine verwandelten Banngeschäftsstelle, dass wir nun vom Jungvolk in die HJ übernommenseien. Als Mitglieder der Jugend des Führers hätten wir unseren Mann zu stehen. Albert Kutschke, in Goldfasangalauniform, kam am nächsten Tag zu uns, nahm dankend einen Kirschlikör an und sagte zu mir:
    »Ich gratuliere dir.«
    »Wozu?«
    »Na, weil du doch jetzt in der HJ bist!«
    Als er gegangen war, sagte Großmutter: »Dir wirds jehn wie den Rodeländern!«
    Ich aber fragte mich, wieso jedes Mal ein Goldfasan zum Gratulieren kam, wenn es in meiner Karriere zum uniformierten Volksgenossen Neues zu vermerken gab. Othmar, Wulle, Werner Pethmann und ich fanden uns in einer Motorradstaffel zusammen, die nach Angriffen Kurierdienste zu leisten hatte. An den Motorrädern war, was mich betraf, Ede schuld. Er hatte frühzeitig meine Begeisterung für Motoren geweckt. Wir fuhren Puch-Doppelkolben und 100er DKW. Wulle fuhr sogar eine knallrote Jawa, die der NSKK-Sturm aus Privatbesitz requiriert hatte.
    Nächtelang saßen wir in dem noch unversehrten Wandelgang eines im Übrigen eingestürzten Theaters, froren und aßen unsere Rationen: Komissbrot, Leberwurst und Margarine. Unser Gefolgschaftsführer, Hanns Thielebier, dirigierte die Einsätze. Er erinnerte an Harry aus der Kolonie Gartenlust, denn auch Hanns Thielebier war blond, hatte rote Augen und schwitzte in den Handflächen. Außerdem sagte er dauernd Heil Hitler, wie die Führerin jener Gruppe von BDM-Mädchen, die uns bei den Kaschuben besucht hatte. Hanns Thielebier sprach jedoch diesen Gruß gerafft und mit einem deutlichen a am Ende aus, sodass es klang wie Hitta. Er kam mit seinem Motorrad, das jetzt Krad hieß, vor die Front gefahren, hob aus dem Sattel die Hand und sagte: »Hitta Mota-HJ. Heute Abendum acht Uhr Einsatz. Sammelstelle bekannt. Hitta.« Dann brauste er wieder ab. Einmal schlug er dabei einer gerade vorbeigehenden Frau die Kanne mit Magermilch aus der Hand. Die Milch ergoss sich über ihn. Seine blaue Winteruniform war von oben bis unten beplempert.
    »Blut und Ehre« stand immer noch auf unseren Fahrtenmessern, die wir nun benutzten, um die Leberwurstbüchsen der eisernen Rationen zu öffnen, Nägel aus den Kisten mit Kradersatzteilen zu ziehen oder Leichenfinger genannte Stinkkäse in Scheiben zu schneiden.
    Manchmal hatte ich Sehnsucht nach den Fleischtöpfen der Großmutter, und wenn es möglich war, verließ ich die Dienststelle und ging zu ihr.
    Ich stand neben der topfrasselnden Großmutter und beobachtete die schwarze Katze, die vor dem Lärm floh. Da klopfte es an der Küchentür. Kutschke trat ein.
    »Heil Hitler«, grüßte er, strammstehend in grauem Overall, geschmückt mit Taschenlampe und Stahlhelm. Großmutter brummelte.
    »Alles in Ordnung, Hitlerjunge?«, fragte Kutschke mich.
    »Jawohl«, sagte ich. »Alles in Ordnung.«
    Kutschke schnüffelte die Luft ein, denn aus den Kasserolen am Herd stieg unkriegsmäßiger Duft. Um genau zu sein: Großmutter bereitete Entenklein.
    »Ich wollte was fragen«, sagte Kutschke.
    »Mich?«, fragte Großmutter über die Schulter hinweg.
    Kutschke: »Eigentlich die Frau«, sagte er.
    »Ruf deine Mutter«, befahl Großmutter.
    Ich holte Minnamartha, die in die Küche stürmte: »Ach nee, Herr Kutschke!«
    Kutschke hatte seine Bumskiepe, den Stahlhelm, am Kinnriemen über den Arm gehängt wie ein Körbchen.
    »Frau Kaiser«, sagte er, »wir müssen auch Sie zum aktiven Dienst am Volke auffordern. Sind Sie bereits Mitglied des Reichsluftschutzbundes?«
    »Ach, nehmen Sie doch Platz«, sagte Minnamartha. »Reichsluftschutzbund? Ich glaube nicht.«
    »Frau Kaiser, Sie wären die ideale

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