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Muckefuck

Muckefuck

Titel: Muckefuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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wieder richtig gut ging. »Habe ich mir gleich gedacht«, sagte er befriedigt und hüpfte davon.
    »Er hat gar nicht gefragt, wann wir die Rübenblätter ausdreschen«, sagte Schwager.
    Die hohe Ehre, dass wir beim Einbringen des vaterländischen Roggens helfen durften, täuschte auf die Dauer nicht darüber hinweg, dass wir ein eintöniges Leben führten, ausgenommen die Nacht als der Backofen brannte. So waren wir froh, als eines Samstags eine Schar städtischer BDM-Mädchen angereist kam, um im Schlafsaal zwei der Jugendherberge zu übernachten. Sie kamen auf der Dorfstraße anmarschiert, in weißen Blusen, die sich über Brüsten spannten. Vorneweg ging ein Mädchen mit einem blauen Wimpel. Wir legten schnell unsere Uniformen an und hissten die Fahnen. Wulle war traurig wegen seines verschrumpelten Schulterriemens. Er als Fachmann für den Umgang mit Mädchen dachte, dass dieser Schönheitsfehler seine Chancen beeinträchtigen könne. »Was willst du«, sagte Werner. »Du hast doch dein Dorfkalb.« Doch diese Stadtkälber waren schöner, nicht alle, aber einige. Auch Lagermannschaftsführer P. G. Kleist litt. Sein Stiefel hatte seit der Jauchekur nie wieder die richtige Fasson angenommen.
    Stets Auge in Auge mit den auf fetten Wiesen gedeihenden Rindern hatten wir das Gefühl, zu Männern herangereift zu sein. Deshalb empfingen wir auch die Mädchen rau und herzlich. Sie verstanden das alles gar nicht und sagten immerzu Heil Hitler! Sie waren schließlich nur ein paar Kilometer mit der Kleinbahn von der Kreisstadt hierhergefahren. Paul Kleist nahm Kontakt mit der Führerin der Gruppe auf, die kastanienbraunes Haar hatte und wunderschön aussah. Er wollte, dass die Mädchen für uns Kuchen backen sollten.
    Trotz seiner durch den Jauchestiefel verursachten Unsicherheit überzeugte er die Führerin. Wulle bat seinen Bauer, den Dorfbackofen zu heizen, obwohl Samstag war. Wir organisierten bei unseren Bauern Mehl und was sonst nötig war. Zu dieser Gelegenheit stiftete Kronensohn sogar hundert Gramm von der Butter, die ihm nicht gehörte. Die Mädchen in den weißen Blusen rührten Teig und wir schauten zu, wie ihre Arme sich bewegten. »Schaut nur, die vielen Brüste!«, flüsterte Wulle voll Hochachtung. Zusammen mit einem Mädchen, das blonde lange Zöpfe hatte, trug er eilfertig die Kuchenbleche mit Teig in das nahe Backhaus.
    Wir aßen Streuselkuchen. Die Führerin mit dem braunen Haar hatte schöne Augen. Lamafü Paul griff zur Klampfe. Werner Pethmann wollte das Lied vom brennenden Scheißhaus singen. Aber er begnügte sich mit ein Soldat saß in der Schenke , was auch schlimm genug war. Erst bei Herrn Pastor sien Kau, jau, jau lebten die Mädchen auf. Aber schon um neun sagte die Führerin: »Heil Hitler!«
    Wir schliefen unruhig diese Nacht.
    Am nächsten Morgen führten wir die Mädchen zum Meer, aber niemand hatte daran gedacht, eine Badehosemitzunehmen. So spielten wir Dritten abschlagen am Strand. Das war enttäuschend. Wir waren froh, als mittags die Gruppe abmarschierte.
    Die Heimat lag im Kampfe, während wir die Ernährung sicherstellten. »Es sind schon wieder Bomben hier in der Gegend gefallen«, schrieb meine Mutter. »Ziehst du dich auch immer warm an? Herr Reh sollte verhaftet werden, ist aber wieder zurück. Wir haben die letzten Innenfenster ausgehängt. Oma hat wieder einen Zahn verloren. Ich sage ihr doch immer, sie soll nicht die Kirschkerne zerbeißen. Morgen schicke ich ein Paket mit frischer Wäsche. Auch Schokolade habe ich eingelegt, es gab welche auf Zuckerkarte. Lass sie dir gut schmecken.«
    In der Zeitung stand wenig über Luftangriffe. Aber aus den Briefen erfuhren wir, dass es schlimm wurde in der großen Stadt. Mehrere Klassen der Bismarckschule wurden kinderlandverschickt, in den Warthegau und nach Österreich. In Russland war es nicht ganz so gut gegangen wie im letzten Jahr. Manchmal wurde die Front begradigt. Die NSV sammelte Wollsocken und Skier für den kommenden Winter.
    Nur Rommel machte noch Sondermeldungen. Seine Panzer rollten durch Nordafrika, in Richtung Kairo. Wir fuhren weiter Mist auf die Felder der Kaschuben, ernteten Kartoffeln und schließlich Rüben. Kronensohn war größer geworden. Struchen Johann und die anderen Bauern hatten sich daran gewöhnt, dass sie statt ausgewachsener Studenten nur magere Schüler einsetzen konnten. Sie ernährten uns weiter mit ungesüßter Heidelbeermarmelade und ließen uns hinter der Egge hertraben, die liegen gebliebenen

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