Mueller, Carin
Ein Wohnsitz reicht der verwöhnten Katinka also wieder einmal nicht mehr …«
»Nein, ganz im Gegenteil. Meine Güte, ich war fünfzehn Jahre lang so viel unterwegs, dass ich mich in dieser Zeit nirgendwo richtig heimisch gefühlt habe.« Sie schüttelte sich allein bei dem Gedanken daran. »Erst seit ich hier bin, habe ich wieder richtig Wurzeln geschlagen – was in erster Linie an dir liegt, aber auch an Antonella und ihrer Familie, an meinem Job, an dieser Wohnung hier. Und obwohl ich mich gerade kaum noch bewegen kann und schwitze wie ein Schwein, finde ich es wirklich schön, dass wir die Renovierung hier gemeinsam machen.«
»Und was hat das alles mit einem Zweitwohnsitz zu tun?«, unterbrach sie Giovanni und strich die nächste Tapetenbahn glatt.
»Wenn du mir nicht ständig ins Wort fallen würdest, könnte ich es dir auch erklären. Ich fände es einfach schön, wenn wir irgendwo auf dem Land einen Rückzugsort hätten, nur für uns oder vielleicht auch mal für unsere Familien. Ein alter Bauernhof wäre toll, den wir auch selbst renovieren – dann ist es vielleicht auch nicht so teuer …«
»Das sind ja sehr bodenständige Träume für das alte Jetset-Gör Katia«, zog er sie auf.
»Du bist so doof!«, rief sie empört und fuchtelte mit dem Kleisterpinsel vor seiner Nase herum. »Ich bin kein Jetset-Gör, jedenfalls nicht mehr, und ich will es auch nicht mehr sein. Ich träume einfach von einem kleinen Häuschen mit Blick aufs Meer …«
»Also, wenn schon, dann in den Bergen!«
»Was hast du gegen das Meer?«
»Gar nichts, aber in den Bergen können wir Ski fahren und mountainbiken.«
»Ich will aber nicht mountainbiken, und Ski fahren war ich das letzte Mal vor ungefähr zwanzig Jahren.« Zwei Wände waren fertig tapeziert, und Katia begutachtete zufrieden ihr gemeinsames Werk. Die beiden anderen Wände würden sie streichen. Sie legte den Kleisterpinsel beiseite und öffnete den Farbeimer.
»Dann wird’s ja Zeit!«
»Wofür?« Sie war gedanklich schon wieder weit weg von alpinen Abenteuern und ganz nah bei dem sahnigen Cappuccino-Ton, der gleich an die Wand sollte. Sah aus wie Karamellpudding.
»Na, fürs Skifahren!«
»Ich weiß nicht«, sagte sie skeptisch. »Soweit ich mich erinnere, ist Skifahren auch sehr anstrengend.«
»Aber in den Hütten gibt’s Germknödel, Kaiserschmarrn und Käsespätzle!«
»Also wirklich, du tust ja gerade so, als würde ich immer ans Essen denken!«
»Aber das stimmt doch auch! Soll ich dir vielleicht einen Löffel holen?« Er konnte sich sein Lachen kaum noch verkneifen, als er sie beobachtete, wie sie hingebungsvoll im Farbeimer rührte.
Sie warf ihm einen wilden Blick zu, zog es dann aber vor, nicht weiter auf seine Frechheiten einzugehen. »Wir können die Meer-Berge-Frage ja auch erst einmal zurückstellen und stattdessen zunächst das Land aussuchen. Ich wäre ja für Italien. Da gibt es Berge und Meer, und man kann erstklassig einkaufen. Und außerdem …«
»… gibt es sensationelles Essen!«, fügte Giovanni an.
»Wer bitte schön denkt immer an Essen???«
»Ich habe nur deinen Gedankengang zu Ende geführt.«
»Ich wollte sagen: Und außerdem bist du Italiener, und ich hätte endlich einen Grund, diese tolle Sprache zu lernen!«
»Das ist völlig unnötig. Wie du gerade so treffend festgestellt hast, bin ich ja Italiener und kann die comunicazione übernehmen. Das wird niemandem auffallen. Meine Schwester ist über dreißig Jahre ihres Lebens als Italienerin durchgegangen, obwohl sie kaum einen Teller Nudeln bestellen konnte.«
»Du bist so ein unglaublicher Macho! Ich will mich selbst mit den Leuten unterhalten können! Und ganz ehrlich, wenn ich Griechisch lernen konnte, werde ich ja wohl auch mit Italienisch klarkommen.«
»Kathi, mein Engel, du kommst doch mit allem klar!« Übermannt von einer Welle der Zärtlichkeit nahm er sie in den Arm. Hinter all den lockeren Sprüchen und albernen Witzen war er einfach unglaublich gerührt über ihren Eifer. Sie machte es mit jeder Geste und jedem Satz klar, dass sie ihr Leben mit ihm verbringen wollte. Am liebsten würde er … »Weißt du was?«, sagte er stattdessen. »Es ist schon spät. Ich gehe mit Olga noch mal kurz um den Block, und dann gehen wir ins Bett. Wir können das genauso gut morgen fertig machen.«
Als er gute zwanzig Minuten später wieder zurückkehrte, war sie aber immer noch mit Streichen beschäftigt. »Ich will doch noch weitermachen. Was meinst du, wie wir uns
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