Mueller, Carin
Schal um und umarmte ihre Chefin.
»Gern geschehen. Du kannst gut ein bisschen Farbe vertragen … Bin gespannt, was du von Georgia bekommst. Mir hat sie einen Füller geschenkt, mit dem ich ›erfolgreiche Verträge‹ unterschreiben soll.«
»Oh …« Jenny packte gerade ein Buch aus und las die Karte vor: »Liebe Jennifer, denken Sie stets daran, Sie sind die Visitenkarte von Hugo’s Affairs – auch wenn ich nicht mehr da bin! Frohe Weihnachten und beste Grüße von Georgia Holtau-Devereaux – o Mann, schau mal.«
Sie hielt Antonella das Buch vor die Nase, die schallend zu lachen anfing. Dress for Success – the Ultimate Style Guide for Modern Business Women.
»Was soll ich sagen? Der Einzige, der ein tolles Geschenk von ihr bekommen hat, ist Hugo. Ein schwarzes Hirschlederhalsband mit einem ›Hugo forever‹-Schriftzug aus Strassnieten plus passender Leine. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was Giovanni von ihr bekommt: wahrscheinlich einen versilberten Hobel mit den warmen Worten: ›Wo gehobelt wird, da fallen Späne – hoffentlich aus Gold! Viel Erfolg als neuer Teilhaber.‹ Wir werden sehen …« Antonella kicherte immer noch.
»Wo fallen Späne aus Gold?« Ein braungebrannter Hüne war aufgetaucht und riss Antonella in seine Arme. »Ciao principessa e buon anno!«
»Hallo, Bruderherz, wieder im Lande?« Antonella drückte Giovanni einen dicken Kuss auf die Wange und musterte ihn. »War’s schön? Du siehst geradezu ekelerregend gut erholt aus.«
»Weihnachten und Silvester in Australien kann ich nur empfehlen. Kein Eis, kein Schnee und vor allem kein Familienwahnsinn – herrlich!« Er grinste gut gelaunt.
»Und, wer war dabei?«, erkundigte sich Jenny spitz. Sie hatte anfangs eine gewisse – leider komplett unerwiderte – Schwäche für Giovanni gehabt und war nach wie vor eifersüchtig auf seine ständig wechselnden Begleiterinnen. »Hatte Miss November noch Glück, oder war schon Fräulein Dezember dran?«
»He, nicht frech werden, Kleine. Immerhin bin ich jetzt dein Chef!« Er sah sie mit gespielt strenger Miene an.
»Nur zu dreißig Prozent. Das zählt für mich nicht …«, erwiderte sie schnippisch. Georgia hatte ausbezahlt werden müssen, als sie nach New York gegangen war, und weil Antonella den kompletten Anteil nicht übernehmen konnte, hatte sich Giovanni mit dreißig Prozent am Unternehmen beteiligt. »Antonella, habe ich schon erwähnt, dass du meine absolute Lieblingschefin bist?«
»Darauf kann ich mir ja was einbilden.« Antonella zwinkerte Jenny verschwörerisch zu. »Und in meiner neuen Funktion als Ober- und Lieblingschefin würde ich vorschlagen, dass wir uns jetzt alle mal sortieren, schauen, ob wir überhaupt noch Aufträge haben, und dann in anderthalb Stunden gemeinsam alles Nötige besprechen. Einverstanden?« Die beiden anderen nickten gehorsam. »Giovanni, das sind übrigens alles deine Geschenke.« Sie deutete auf die Tüten auf ihrem Schreibtisch. »Von den Menschen, die dich lieben, auch wenn du vor ihnen ans andere Ende der Welt fliehst …«
»Wo ist eigentlich Hugo?«, fragte Jenny gut zwei Stunden später. Sie saßen wieder zusammen und besprachen die nächsten Tage und Wochen. Es gab zwei große neue Projekte, die noch vor Weihnachten vereinbart worden waren – eine Fünfzimmerwohnung im Westend und die Renovierung einer großen Anwaltskanzlei. Außerdem waren über die Feiertage tatsächlich einige Anfragen reingekommen, die jetzt beantwortet werden mussten. Wie es aussah, würde das Geschäft also gut weitergehen.
»Ich nehme an, er liegt immer noch beleidigt in seinem Körbchen«, mutmaßte Antonella. »Seit Georgia weg ist, ist er noch unerträglicher als vorher.«
»Er ist bestimmt sehr unglücklich, weil sie ihn verlassen musste, der arme kleine Engel«, sagte Jenny mitfühlend. »Ich glaube, er hat ein gebrochenes Herz.« Aus dem Nebenraum war ein lautes Brummen zu hören. Jenny stand auf, um den Mops zu holen.
»Und ich glaube, dass er eine unsagbare Diva mit Starallüren ist!« Antonella klang deutlich genervt. »Es ist mir wirklich schleierhaft, warum Adrian darauf bestanden hat, dass diese Bestie hierbleiben muss. Georgia hätte ihn so gerne mitgenommen …«
»Dein Mann nimmt seinen Job halt sehr ernst. Und Tante Elsas Testament war doch wohl ganz eindeutig: Du musst dich um den kleinen Kerl kümmern, bis er seinen letzten Atemzug aushaucht, sonst adiós, Wohnung, adiós, Haus, adiós, Erbe …« Giovanni grinste
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